November 2001

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Hans-Joachim Häupler referierte über Johann Georg Hafenbrädl Erinnerungen an einen großen Eisensteiner im Infozentrum Grenzbahnhof

Im vollbesetzten Veranstaltungsraum des Infozentrums Grenzbahnhof konnte Naturpark-Bildungsreferent Hartwig Löfflmann Hans-Joachim Häupler begrüßen. Er zeigte ein interessantes Lebensbild des bedeutendsten Glasermeisters des Böhmer- und Bayerischen Waldes. Häupler, der nie auf andere Autoren setzte und immer selbständig recherchierte konnte sich bisher trotz 30-jähriger Recherchen nie entschließen, ein Buch zu veröffentlichen, das er im Manuskript bereits vorliegen hat. In der Sorge, dass immer noch neue relevante Dinge auftauchen würden, unterblieb es bisher. Sein Archivalienbestand in Sauerlach umfasst mittlerweile eine Länge von siebzehn Metern und eine Fachbücherei von rund 8000 Bänden. Die Herkunft der Hafenbrädls, so Häupler, ist relativ kompliziert. Auf Schloss Oberzwieselau fand sich ein bestens erhaltenes Dokument, das Johann Heinrich Nothaft, Graf von Wernberg, in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Hofpfalzgraf am 31.Juli 1706 in Straubing gesiegelt und unterschrieben hatte. Das ist die Legitimierungsurkunde für den am 29. Juni 1688 in Zwiesel als unehelichen Sohn der Maria Götzinger und des Andreas Hafenbrädl aus Deggendorf getauften Hans Georg. Damals konnten Kraft kaiserlichen Privilegs unehelich geborene Leute in den Stand der ehelich geborenen versetzt werden. Dieser Bitte der Eltern des Hans Georg Hafenbrädl wurde entsprochen. Obwohl Hans Georg Hafenbrädl buchstäblich aus dem Nichts kam, verknüpfte sich sein Name und der seines jüngsten Sohnes Johann Georg (1726-1786) schon sehr bald genau so eng mit der Geschichte Eisensteins wie der der Grafen Nothaft. Mit der Legitimierungsurkunde und der 1722 erfolgten Verpachtung der Eisensteiner Glashütte an den alten Hafenbrädl hat der Graf unwissentlich die Voraussetzung für eine epochale Entwicklung Eisensteins geschaffen. Darauf konnte sein Sohn Johann Georg, der im Vortrag näher beleuchtet wurde, aufbauen. So war dies eines der aufregendsten Kapitel in der langen Glasgeschichte des Böhmer- und Bayerwaldes. Dieser mit einer unzähmbaren Aufsteigermentalität begabte Mann legte den Grundstein für eine Glasherrendynastie, wie sie der Wald nur einmal gesehen hatte. Die Hafenbrädls kamen ursprünglich aus Deggendorf, soviel ist bekannt. Dort sind sie als Handwerker nachgewiesen. Getauft wurde Johann Georg Hafenbrädl am 29. Juni 1688 in Zwiesel. Die zufällig gefundene Legitimierungsurkunde wurde von der Familie über Hunderte von Jahren sorgfältig geheimgehalten bis die Abkunft des Stammvaters in Vergessenheit geraten war. Johann Georg Hafenbrädl, der jüngste Sohn seines 1769 verstorbenen Vaters, entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum erfolgreichsten Glasherren in der gesamten Grenzregion des Böhmer- und Bayerwaldes. Von intellektuellen Anwandlungen war er gänzlich frei. Aber er konnte lesen und schreiben, was seinem Vater noch schwer gefallen war, er hatte ein üppiges Selbstbewusstsein und ein gesundes Geltungsbedürfnis. Bemerkenswert war seine geschmeidige Anpassungsfähigkeit an hohe staatliche Autoritäten sowohl in Böhmen als auch in Bayern. Hafenbrädl war auch ein guter Ehemann und ein treusorgender Vater. Seine Ehefrau Maria Franziska Druckmüller, Tochter eines wohlhabenden nothaftischen Hofmarksverwalters und Kötztinger Bürgers, war noch nicht 16 Jahre alt, als sie heiratete. In 26 Ehejahren schenkte sie ihm 19 Kinder, von denen acht als Kleinkinder starben. Seit 1766 war bekannt, dass der kinderlose Graf Heinrich von Klenau seine beiden Eisensteiner Güter verkaufen wollte. Da fast alle Glashütten, Waldungen und Wirtschaftsbetriebe sich schon in Hafenbrädls erbrechtlichem Besitz befanden, meldete sich kein anderer Interessent. Hafenbrädl wartete noch den Abschluss der vielen Folgeverträge ab, die Einzelheiten nach der grundsätzlichen Grenzbereinigung von 1764 zwischen Bayern und Böhmen regelten, nachdem Böhmen den westlichen Teil des Eisensteiner Waldes wieder an Bayern zurückgegeben hatte. Hafenbrädl wusste inzwischen, dass der Inhaber eines in die „Prager Landtafel“ eingetragenen Gutes die Berechtigung hatte , seine Erhebung in den Adelsstand zu beantragen. Da Böhmisch Eisenstein ein solches Gut war, konnte es grundsätzlich nur von einem Adeligen erworben werden. Wie bei allen Regeln, gab es auch hier Ausnahmen. Mit königlicher Bestätigung konnten auch Bürger der privilegierten Städte Prag, Pilsen, Budweis und Kuttenberg als landtafelfähig anerkannt werden. Es galt also, zunächst die Stadtbürgerschaft in dem nahen Pilsen zu erwerben. Hafenbrädl bediente sich des Pilsener Ratsherrn Jakob Krieger, der ihm ein Haus in der Sachsengasse um 1450 Gulden vermittelte. Danach war der Weg zum Hofmarksbesitzer frei. Im Jahr 1771 kaufte er den Erben des 1769 verstorbenen Grafen Klenau die seit 1764 auf zwei Länder aufgeteilten Güter Böhmisch und Bayerisch Eisenstein ab. Der Ruf des jungen Hafenbrädl verbreitete sich wie ein Donnerhall im Böhmer- und Bayerwald. Sein geschäftlicher Sachverstand, sein Weitblick und sein kraftvoller, oft rücksichtsloser Zugriff waren nicht mehr zu übersehen. Im Juli 1771 erschien der Rentmeister Franz Xaver Freiherr von Lerchenfeld von der bayerischen Provinzialregierung in Straubing in Bayerisch Eisenstein, wo Hafenbrädl damals auf einem Dreiseithof in Bayerisch Häusl residierte. Lerchenfeld konnte seine Hochachtung vor diesem Mann in seinen Berichten an die Münchner Hofkammer nicht verbergen. Als er abreiste, nahm er eine mit dem 5. August 1771 datierte Eingabe Hafenbrädls zur Weiterleitung und Befürwortung nach München mit. Darin bat Hafenbrädl untertänig gehorsam, aber sehr selbstbewusst, um die Erhebung in den Adelsstand und die Genehmigung zur Errichtung eines Bräuhauses für braunes Bier. Außerdem wünschte er den Zwieseler Kameralwald zu kaufen, wofür er 2000 Gulden bot. Die Urkunde wurde daraufhin am 11. Dezember 1772 in München ausgefertigt. Wenige Monate später erhält Hafenbrädl die Hofmarksgerechtigkeit für Bayerisch Eisenstein und beantragte Brauhauskonzession. Beide Glashüttengüter Böhmisch und Bayerisch Eisenstein stellten jetzt ein staatsrechtliches Unikat dar, das es an der bayerisch-böhmischen Grenze nur einmal gegeben hat. Die beiden Güter waren Eigentümer eines Herrn, der sowohl den bayerischen Kurfürsten als auch der Kaiserin Maria Theresia als Königin von Böhmen den Treueid schwören musste. Mit seinem bayerischen Adelstitel wurde er allerdings nicht glücklich, da er ihn in Böhmen nicht führen durfte. Er musste sich manches Gespött anhören, unter anderem auch deswegen, weil Hafenbrädl seit Mitte der siebziger Jahre immer deutlicher zur böhmischen Seite hin tendierte. Er lebte längst im ehemaligen Schloss der Grafen Nothaft im böhmischen Markt Eisenstein. Er besaß genügend Einsicht in die politischen Realitäten, um zu erkennen, dass der österreichische Kaiserstaat sich zu einer Großmacht entwickelte, die seinen Glasgeschäften, mit ausgedehnten Handelsbeziehungen ins Ausland mehr Schutz und Sicherheit geben konnte als der schwächliche bayerische Kleinstaat. Johann Georg Hafenbrädl bemühte sich daraufhin noch entschlossener um eine kaiserliche Ritterstandsverleihung, die er über das K.k. Kreisamt in Pisek anstrebte. In einem Majestätsgesuch vom 20. November 1782 ging es dann um die Bitte zur Erhebung in den Ritterstand. Seine Adelserhebung, die weniger echte Verdienste als ansehnlichen Landbesitz oder ein beträchtliches Kapitalvermögen voraussetzte, war daher wichtig. Hafenbrädl arbeitete mit allen Mitteln und schaffte es auch, dass der verwitweten Glasermeisterin Maria Anna Kiesling vom Glashüttengut Rabenstein jahrelang die amtliche Bestätigung ihrer Grenzen in der Erbrechtswaldungen versagt blieb. Seine Bemühungen den Zwieseler Kameralwald anzukaufen verfolgte er nachdrücklich. Später verzehnfachte er sein Finanzgebot. Mit den Einnahmen aus dem Grundbesitz aus Böhmisch Eisenstein hatte er dann auch die obrigkeitliche Verwaltung sowie die Erhaltung des Kirchenbaues, des Pfarrhofes und des Geistlichen zu bestreiten. Anfang der 70-er Jahre betrieb er drei Glashütten auf böhmischem und zwei Manufakturen auf bayerischem Boden. Später kaufte er auch das Glashüttengut Lohberg, das Hofmarksgut Stachesried bei Eschlkam und die Hofmarken Au , March und Zell bei Regen. Am meisten interessierte ihn der sich im böhmischen Staatsbesitz befindliche Eisensteiner Kameralwald. Dieser erstreckte sich zwischen dem Schwarzen Regen und dem Lackerberg bis hinunter nach Zwiesel. Selbst der mächtige Graf Joseph Kinski auf der böhmischen Herrschaft Bürgstein mit seinen Spiegelmanufakturen in Haida und Stubenbach vermochte gegen Hafenbrädl nicht aufzukommen. Die 70-er Jahre des 18. Jahrhunderts waren für Johann Georg Hafenbrädl die wichtigsten und erfolgreichsten seines Lebens. Über den Tod seiner Frau Maria Franziska kam er nur schwer hinweg. Sie starb am 25. August 1775 mit 42 Jahren. Etwa zeitgleich hatte er wegen der Turbulenzen um die Eisensteiner Kirche und die endlosen Prozesse mit den bäuerlichen Untertanen seiner böhmischen Hofmark größere Probleme. Er konnte es nicht ertragen, dass er sein landtäflich verbürgtes Recht, dem Bischof von Regensburg den Geistlichen für seine Böhmisch Eisensteiner Kirche zu präsentieren, nicht ausüben konnte. Wegen einer Lapalie, wo einer der Schutzuntertanen und sein Weib mit einem Wagen über eine Wiese des Pfarrhofs gefahren waren, entstand eine größere Streitigkeit, die in der Folge die Kirchengemeinde in zwei Lager spaltete. Erhebliche Sorgen bereitete ihm eine Erblast. Die Eisensteiner Bauern verlangten die Abrechnungen in der günstigeren böhmischen Taxordnung. Hafenbrädl unterlag in der Folge, nachdem sich bis in die 80-er Jahre hinein die Behörden in Pisek, Prag und Wien damit beschäftigt hatten. Das alles ging nicht mehr spurlos an dem jetzt 51 jährigem vorüber. Seit Ende 1781 war er krank und oftmals bettlägrig. Auf einer Sänfte ließ er sich nach Passau tragen, wo er bei einem berühmten Arzt Heilung suchte. Einmal heißt es in Aufzeichnungen, er habe Steine und blutigen Urin. Nach heutigen Begriffen könnte das eine Urämie gewesen sein, gegen die die damalige Medizin keine Mittel hatte. Bald musste ihm jemand Tag und Nacht aufwarten. Am 12. Juli zwischen 1 und 2 Uhr Mitternacht ist Johann Georg Ritter von Hafenbrädl gestorben. In der Kirche von Markt Eisenstein / Zelezna Ruda ist sein Epitaph an der Wand des Kirchenschiffs angebracht. Wer seine Lebensgeschichte, die auch voller Rücksichtslosigkeiten und diplomatischen Schachzügen steckt, näher kennt der liest mit einem leichten Schmunzeln die Zeilen, die dort geschrieben stehen und von seltener Redlichkeit, Frömmigkeit berichten. Bis die exzellenten Recherchen von Hans-Joachim Häupler in Buchform erscheinen, muss man sich wohl als interessierter nach wie vor mit dem vom Katholischen Kreisbildungswerk herausgegebenen Büchlein zur Geschichte des Eisensteiner Tales, das auch zweisprachig ist, begnügen. Mit einem herzlichen Dank für die exzellenten Recherchen und dem sehr interessanten Vortrag schloss Hartwig Löfflmann die Veranstaltung im Grenzbahnhof.

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