Zur Kulturgeschichte des Bayerisch-böhmischen Grenzraums
Siedlungsspuren im menschenleeren Nordwald
"Eremus Nortwalt", menschenleerer Nordwald, wird das bayerisch-böhmische Waldgebirge in einer Urkunde des Klosters Metten aus dem Jahr 853 genannt. Die Bezeichnung der Mönche ist irrig: Funde von mittel- und jungsteinzeitlichen Steinwerkzeugen um Cham, Kötzting, Viechtach, aus dem Wottawatal und dem Mühlviertel beweisen, dass sich bereits vor 5000 bis 10000 Jahren Menschen in den Randbereichen des Gebirges aufhielten. Von Jägern und Fischern begangene Pfade folgten den Flusstälern des Bayerischen Waldes und Šumava. Die ersten Viehzüchter und Weidebauern ließen sich in der Bronzezeit (1800-800 v. Chr.) im Regental nieder. Seit der jüngeren Eisenzeit (800 bis 500 v. Chr.) wurde das Eisenerz des Mittelgebirges ausgebeutet.
Um 500 v. Chr. machten sich in den Randgebieten Südböhmen und Oberösterreich die Kelten bemerkbar. Der keltische Stamm der Boier zog von Bayern her über die Cham-Further Senke und gab Böhmen (Boiohaemum Celticum) den Namen. Eine Reihe von Wallburgen und Hügelgräbern beweisen die Existenz einer keltisierten Altbevölkerung in der Oberpfalz, dem Bayerischen Wald, dem Mühlviertel und Böhmen. Die Kelten gewannen und verarbeiteten Silber, Gold, Eisen und Graphit im Waldgebirge. Das bezeugen Gefäßscherbenfunde aus Graphitton. Ein Kranz keltischer Höhenbefestigungen, sog. "Oppida" umgab das Mittelgebirge. Auf böhmischer Seite waren solche Festungen in der Nähe von Bergreichenstein, Winterberg und Krummau zu finden.
Aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt fehlen Bodenfunde und die früheste Urkunde stammt aus dem 8. Jahrhundert. Dass der Wald trotzdem nicht menschenleer war, gilt mittlerweile als gesichert. Mehrere Pfade und Steige durchzogen als Leitlinien des frühen Handels zwischen Böhmen und Bayern das Waldgebirge.
Mönche und Ritter zähmen die Wildnis
Das Waldgebirge ist vor dem 9. Jahrhundert nicht regelrecht besiedelt worden. Seit prähistorischen Zeiten trennten die unwirtlichen Höhen des Bayerischen Waldes und des Šumava die altbesiedelten Gunsträume an der Donau und im böhmischen Becken.
Ordensgemeinschaften und Adelige gründeten die ersten Orte im Bayerischen Wald. Die Benediktinerklöster Niederaltaich, Metten und Pfaffmünster legten von ihrer Gründung im 8. Jahrhundert bis zum Anfang des 10. Jahrhunderts weit über 100 Siedlungen im Niederen Bayerischen Wald an, dem sog. Vorwald.
Der Heilige Gunther leitet die zweite Rodungsperiode ein
Im Jahr 1011 gründete der Hl. Gunther das Kloster Rinchnach, eine Probstei des Klosters Niederaltaich und leitete die Rodung und Besiedelung der Gegend um Kirchberg und Kirchdorf ein. In dieser zweiten Rodungsperiode im 11. und 12. Jahrhundert übernahmen vor allem die Grafen von Bogen mit ihren Ministerialen die weitere Erschließung. Dabei verraten Ortsnamen, dass sich deren Aktivitäten u.a. auf den Falkensteiner Vorwald konzentrierten. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts waren die Vorwaldbereiche mit Ausnahme der Hochlagen über 700 m sowie die Regensenke weitgehend von einem mehr oder weniger dichten Siedlungsnetz überzogen.
Der Untere Bayerischen Wald wurde ausgehend von dem Kloster Niedernburg in Passau erschlossen. Der Name "Abteiland" ist auch heute noch für den geschlossenen grundherrschaftlichen Bereich des Klosters zwischen den Flüssen Donau, Ilz und Rodl und dem Grenzkamm gebräuchlich. Der Einflussbereich Passauer Adelsherrschaften und geistlicher Grundherrschaften reichte weit in das heutige Mühlviertel hinein. Dort waren das 1198 gegründete Stift Schlägl und die südböhmischen Herren von Rosenberg, die aus dem Geschlecht der Witigonen stammten, maßgeblich am Landausbau beteiligt.
Die Deutschen in Böhmen
Der böhmische König holte ab dem 12. Jahrhundert deutsche Bauern, Handwerker und Bergbauspezialisten in die waldreichen Randgebiete des Landes. Sie sollten im Šumava, aber auch im Erzgebirge, im Adlergebirge, Riesengebirge und Lausitzer Gebirge roden und kultivieren. Viele deutsche Städte und Märkte - wie die Städte Prachatitz und Schüttenhofen - entstanden zu dieser Zeit als Mittelpunkt von Handwerk und Handel. Der böhmische Staat wurde zweisprachig und die Geschichte der Deutschen in Böhmen begann. Die letzte Phase der Kolonisation durch das Kloster Niederalteich begann in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bei Zwiesel mit dem Eindringen der Glasindustrie ins Waldgebirge. Diese Besiedlungsphase endete um 1600. Seit dieser Zeit hat sich das Bild der Kulturlandschaft nicht mehr entscheidend verändert. Von bayerischer und böhmischer Seite näherten sich die Menschen seit der Mitte 12. Jahrhunderts dem bewaldeten Grenzkamm. Um 1100 lag noch ein etwa 50 Kilometer breiter, nahezu menschenleerer Grenzsaum zwischen Bayern und Böhmen; rund 250 Jahre später hatte sich dieser Korridor auf zwischen Fürholz und Wallern auf 25 Kilometer verengt. Auf böhmischer Seite erstreckten sich die Besitzungen der mächtigen Grafen von Bogen bis in den Raum von Schüttenhofen und Winterberg. Albrechtsried bei Schüttenhofen geht auf die Rodungstätigkeit des Grafen Albert I. zurück und zählt zu den ältesten deutschen Ortsnamen Südböhmens. Auch die 1259 und 1263 gegründeten Rodeklöster Hohenfurth und Goldenkron trugen zur Erschließung Südböhmens entscheidend bei.
Die bayerisch-böhmische Grenzlinie
Eine nach heutigen Maßstäben akzeptable Grenzlinie zwischen Bayern und Böhmen gab es im Mittelalter nicht. Aber obwohl der dichte Wald eine nahezu undurchdringlich Barriere bildete, schützen auf beiden Seiten Grenzwächter den Gebirgssaum: die Choden von Domažlice und die Künischen Freibauern am Fuße des Berges Osser. Endgültig festgelegt wurde die Grenzlinie erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Künische Freibauern
Im 14. Jahrhundert tauchten erstmals königliche Grenzwächter im Kammbereich des Waldgebietes auf. Wenige Kilometer hinter der deutsch-böhmischen Grenze bei Eisenstein und rund um Eisenstraß und Seewiesen begann ihr Gebiet, das acht Gerichte umfasste: St. Katharina, Hammern, Eisenstraß, Seewiesen, Haidl, Kochet, Stadln und Stachau. Die Künischen waren dem König oder Kaiser untertan, erschlossen dessen ungerodeten Wald und verteidigten im Fall einer Auseinandersetzung zwischen den Grafen von Bogen und den Premislyden den Landstreifen im Bereich der acht Gerichte.
Der Name "Künische" leitete sich von der Bezeichnung "die Königlichen" ab. Seit Beginn der Besiedelung waren die Künischen als freie Bauern mit einer Reihe von Privilegien (z.B. freie Gerichtsbarkeit) ausgestattet, die sie in dem Leitspruch "Niemands Herr und niemands Knecht, das ist künisch Bauernrecht!" ausdrückten. Die Glockentürme auf den Dächern ihrer Bauernhäuser symbolisierten diese Sonderrechte. Sie waren unabhängig von der Grundobrigkeit, die in anderen Gegenden Heirat und Berufswahl ihrer Untertanen bestimmte. Mit der gesetzlichen Aufhebung der Grunduntertänigkeit in den österreichischen Ländern im Jahr 1848 verloren die Künischen ihre Privilegien. Wann die Freibauern das Gebiet am Fuße des Ossers zu besiedeln begannen, ist bis heute ungeklärt. Nach Spekulationen von Volkskundlern und Historikern sollen sie bereits im 11. Jahrhundert mit der Verteidigung der Grenze betraut worden sein. Im Jahr 1617 wurden die acht Gerichte erstmals urkundlich erwähnt. Zu dieser Zeit sollen etwa 2500 Menschen im Künischen gewohnt haben. Aufgrund der Familiennamen der Künischen Freibauern läßt sich deren Herkunft vage bestimmen: Sie stammten aus Niederbayern, der Oberpfalz, aus dem Schwäbischen und dem Schwarzwald sowie aus dem Waldviertel in Oberösterreich.
Die Choden - tapfere Grenzwächter
Im nordwestlichen Bereich des Šumava befindet sich um Domažlice das Chodenland mit elf historischen Chodendörfern. In historischen Quellen erscheinen die Choden erstmals im 14. Jahrhundert als Untertanen in den königlichen Herrschaften Domažlice, Primda und Tachov. Über ihre Herkunft besteht noch heute Uneinigkeit. Sie waren vom böhmischen König mit dem Schutz der Landesgrenze gegen Bayern beauftragt und gewannen dadurch - ähnlich wie die Künischen Freibauern - eine Reihe von Privilegien in Bezug auf Bodenbesitz, Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Die Chodentradition - der Dialekt, die besondere Tracht und das spezifische Brauchtum - ist in Domažlice bis heute lebendig. Die Choden wurden stets als tapfere Hüter der tschechischen Westgrenze heroisiert. Ihre Aufstände galten als Symbol für den Kampf des tschechischen Volkes um lange tradierte Rechte, die erst die Habsburger außer Kraft gesetzt hatten. Bei den Freiheitskämpfen im 17. Jahrhundert kam der berühmtester Anführer der Choden, Jan Sladký Kozina, ums Leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg behielten die Choden ihr hohes Ansehen als westlichster Außenposten an der Grenze zwischen dem Kapitalistischen und sozialistischen Weltsystem.
Pfade und Steige
Der Bayerische Wald und der Šumava waren stets ein großes Hindernis zwischen Bayern und Böhmen. Dennoch querten seit der Steinzeit Pfade und Saumwege über das Gebirge. Vom 6. Jahrhundert an wurde der Baier- oder Boierweg von den Merowingern begangen. Er führte von Deggendorf über die Rusel vorbei an Weißenstein nach Zwiesel und weiter über Spiegelhütte nach Hartmanitz und Schüttenhofen in Böhmen. Dobra Voda (Gutwasser) bei Hartmanitz liegt am Ende des 1029 erstmals erwähnten Gunthersteiges. Er führte von Niederaltaich über Rohrstetten, Hangleithen, Sommerberg und Bärnzell nach Zwiesel, wo er in den alten Boierweg einmündete. Über den Gunthersteig unterhielt das Kloster Niederaltaich, das Sudpfannen in Reichenhall besaß, wirtschaftliche Beziehungen mit dem salzlosen Böhmen. Der Steig zeichnet auch das linienhafte Vordringen der Besiedelung nach.
Im Jahr 1088 wird ein Handelsweg von Passau nach Prachatitz urkundlich erwähnt, der heute unter dem Namen "Goldener Steig" bekannt ist. Im 14. Jahrhundert entwickelte sich mit weiteren Abzweigungen nach Winterberg und Bergreichenstein ein System von Saumwegen, das vor allem dem Salzhandel mit Böhmen diente. Als Gegenhandelsgüter wurden aus dem salzlosen Böhmen landwirtschaftliche Überschußprodukte wie Getreide, Schmalz und Hopfen, aber auch Glaswaren nach Bayern eingeführt. Die Blütezeit des Saumhandels am Goldenen Steig fällt in das 16. Jahrhundert. Auf dem Weg nach Prachatitz verkehrten wöchentlich bis zu 1200 Saumpferde. Als 1526 den Habsburgern die Länder der böhmischen Krone zufielen, endeten diese goldenen Zeiten abrupt. Die Habsburger setzten nach dem Dreißigjährigen Krieg ihr Salzmonopol in Böhmen und Mähren durch und versorgten Böhmen nunmehr mit Halleiner statt mit Reichenhaller Salz . Aus den einst geschäftigen Saumwegen wurden bedeutungslose Wald- und Feldwege. Auch durch das Mühlviertel führten alte Salzstraßen nach Böhmen.
Waldhufendörfer, Holzfällersiedlungen und Kleinstädte
Um 1600 entstanden im Hohen Bayerischen Wald mit Leopoldsreut, Herzogsreut und Schwendreut die ersten Waldhufendörfer, die als Etappensiedlungen an den Ästen des Goldenen Steiges gelegen waren. Das böhmische Pendant bildeten Böhmisch-Röhren und Kuschwarda, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts gegründet wurden. Der ehemals breite Grenzsaum des Nordwaldes hatte sich zu dieser Zeit bereits so verengt, dass eine exakte Festlegung der Grenzlinie erforderlich war. Die grenznahen Wälder im Šumava wurden genau wie das Passauer Abteiland erst im 18. Jahrhundert besiedelt. Im Vordergrund stand dabei die Waldnutzung. Die Orte Fürstenhut, Philippshütten, Mader und Althütte im Šumava gehen auf Siedlungen von Holzfällern zurück.
Heute ist im Bayerischen Wald, im Šumava und im Mühlviertel das Zeitalter der Rodung, d.h. der flächenmäßigen Ausdehnung der Siedlung und der landwirtschaftlich genutzten Flächen längst abgeschlossen. Viele Orte sind seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr gewachsen. Die gegenwärtige Siedlungsstruktur ist mit durchschnittlichen Bevölkerungsdichten von etwa 40 EW/km² (Šumava), 60 EW/km² (Mühlviertel) und 80 EW/km² (Bayerischer Wald) als ländlich zu bezeichnen. Zu den größten Städten gehören Zwiesel mit etwa 10.500 Einwohnern, Prachatitz mit knapp 12.000 Einwohnern und Freistadt im Mühlviertel mit 7.000 Einwohnern. Einzig Grafenau wurde bereits 1376 zur Stadt erhoben, während alle anderen Orte erst im 20. Jahrhundert das Stadtrecht erlangten: Zwiesel wurde im Jahr 1904 zur Stadt, Regen im Jahr 1932, Kötzting, Viechtach und Freyung im Jahr 1951.
Grenzzone oder ökologische Modellregion
Auf tschechischer Seite veränderte die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 das Bild der Kulturlandschaft grundlegend. Viele Dörfer im Sperrgebiet verfielen oder wurden zerstört, Neusiedler aus allen Teilen der Tschechoslowakei kamen in den Šumava und die Landwirtschaft wurde in Großbetrieben kollektiviert. Bis zur Öffnung der Grenzen im Jahr 1989 war die Region als "Grenzzone" stark abgewertet. Heute wird das Waldgebirge als "Raum für die Zukunft" und "europäische ökologische Modellregion" bewertet.
Gold
An den Bächen des Bayerischen Waldes und des Šumava wurde bereits zwischen 2500 und 2000 v.Chr. Gold gewaschen: Von der Bronzezeit über die Zeit der Kelten bis ins Mittelalter und die Renaissance wurde Gold intensiv abgebaut und verarbeitet. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich der Goldbergbau in Bergreichenstein, im Šumava. Zwischen 600 und 1200 Bergmänner arbeiteten in rund 40 Goldminen. Das goldhaltige Quarz wurde in ca. 300 Mühlen zerkleinert. Im 14. Jahrhundert erlebte Bergreichenstein eine Blütezeit. Böhmisches und bayerisches Gold war vielerorts Grundstoff für kostbare Reliquien, Pokale und Münzen. Als Symbol für Heiligkeit und Macht war Gold eine begehrte Ware. In der "Goldenen Stadt" Prag wurde es verkauft, um die Reise über Italien nach Indien und China zu finanzieren. In Regensburg zeugt der "Goldene Turm" noch heute vom Reichtum der Kaufleute, die an diesem Handel verdienten.
(Bilder zum Goldwaschen in Böhmen)
Seit dem 16. Jahrhundert verringerte sich der Ertrag der Bergreichensteiner Gruben. Trotzdem lagern dort nach Expertenschätzungen noch immer rund 30 Tonnen Gold, deren Abbau an die 350 Mio. Dollar einbringen würde. Im Jahr 1994 bekundete die kanadische Firma TVX Gold Inc. Interesse an der Erschließung dieser Vorräte, stieß sie mit ihren Plänen aber auf heftigen Widerstand in der Bevölkerung. Die Bürgerinitiative "Šumava nad zlato" - "Šumava ist mehr als Gold" mit bis heute rund 1300 Mitgliedern konnte die Goldgewinnung erfolgreich verhindern. TVX hatte täglich 2000 bis 3000 t Gestein (= etwa 250 Lkw-Ladungen) und damit ca. 20 kg Gold fördern wollen. Im Laufe von ungefähr sechs Jahren wären 500 Meter vor der Stadtgrenze Bergreichensteins sechs durch eine 50 Meter hohe Staumauer abgeriegelte Bachtäler mit dem kontaminierten Abraum verfüllt worden. Die gefährliche, auf Cyanidlaugung basierende Goldgewinnung hätte unwiderruflich die Landschaft zerstört. Im Jahr 1998 hatten deutsche und tschechische Umweltschützer bereits über 60.000 Unterschriften gegen den Goldbergbau gesammelt.
Bürgerinitiative gegen Goldbergbau in Bergreichenstein
Glasindustrie
Die Glasstrasse
Der Bayerische Wald und der Šumava blicken auf eine 600-jährige Glasgeschichte zurück. Das Glasgewerbe gehört zu den ältesten Erwerbsformen des Waldlandes. Glashütten wurden seit dem 14. Jahrhundert auf böhmischer, später auf bayerischer und österreichischer Seite errichtet. Böhmische Glasmacher wanderten aus dem Gebiet um Winterberg nach Bayern ein und gründeten die ersten Glashütten in Rabenstein (1421) und Frauenau (1420).
Der Wald bot ideale Voraussetzungen für die Entwicklung dieses Industriezweiges, denn er lieferte die wichtigsten Rohstoffe Holz und Quarz in Hülle und Fülle. Holzpottasche als für die Schmelze notwendiges Flußmittel wurde von sogenannten "Aschenbrennern" gebrannt. Der Quarz für die Glasmasse - auch "Kies" genannt - wurde entweder im Wald gesammelt oder in Steinbrüchen abgebaut. Lediglich Kalk und Ton für die Herstellung der feuerfesten Schmelzhäfen mussten aus Schwandorf, Kelheim oder der Gegend zwischen Schüttenhofen und Horaschdowitz bezogen werden. Zur Feuerung der Glasöfen wurde ebenfalls Holz benötigt. In der Poschinger-Hütte in Frauenau wurden allein im Jahr 1761 585 Klafter Holz im Glasofen verheizt und 1300 Klafter zu Pottasche verbrannt. Das Gewichtsverhältnis des Fertigproduktes Pottasche zum Holzeinsatz entsprach einer Relation von 1:2000. Es ist wenig erstaunlich, dass sich bereits im 18. Jahrhundert die Versorgung der Glashütten mit Pottasche infolge von Holzmangel als schwierig herausstellte. Das Aschebrennen in den Wäldern wurde zu dieser Zeit verboten, so dass Pottasche aus anderen Regionen, Ungarn etwa, zugekauft werden musste. Hatte eine Glashütte den Holzvorrat in ihrer Umgebung verbraucht, wurde sie an eine andere Stelle in den Wald verlegt. Solche Umsiedelungen fanden je nach Holzreichtum in Abständen von 25 bis 70 Jahren statt. Ortsnamen wie "Althütte", "Neuhütte", "Oberhütte" oder "Unterhütte" belegen diesen Prozess. Dass über Jahrhunderte hinweg unbeschränkt Raubbau am Wald betrieben werden konnte, erklärt sich aus den fehlenden Transportmöglichkeiten für diesen Rohstoff. Bis zum Bau von Kanälen zur Holztrift war Holz fast wertlos, was folgendes Beispiel belegt. Im Jahre 1617 musste die Gerlhütte (Seewiesen) nur 7 Groschen an Hütten- und Waldzins entrichten, aber 30 Groschen für die Pacht eines Fischwassers aufbringen. Den einzigen wirtschaftlichen Nutzen, den die Waldbesitzer aus ihren riesigen Beständen ziehen konnten, waren Zinsleistungen von Glashütten.
Die Phase der wandernden "Waldglashütten" reicht bis ins 16. Jahrhundert. Bis dahin stellten die Glasmacher hauptsächlich Spiegelglas, Butzenscheiben und "Patterl" genannte Rosenkranzenperlen her, die allerdings nicht mit venezianischem Glas konkurrieren konnten. Das änderte sich erst, als gegen Ende des 17. Jahrhunderts das "Böhmische Kristall", ein kristallklares Kreideglas, erfunden wurde. Für die bayerischen und vor allem böhmischen Glashütten brach damit eine Blütezeit an. Glasmacherfamilien wie die von Poschinger, die Hafenbrädl, Abele oder Gerl entwickelten sich zu regelrechten Dynastien.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden im Šumava fast 40 neue Glashütten. Gleichzeitig stieg der Bedarf an Holz, das zu einem wertvollen und teuren Gut wurde. Der Holzverkauf versprach den Waldbesitzern bald wesentlich höhere Einnahmen als die Zinseinkünfte aus den Glashütten. Fürst Schwarzenberg ließ als größter Waldbesitzer im Böhmerwald seine Ländereien zwischen Bergreichenstein und Oberplan mit dem Bau des Schwarzenberg-Schwemmkanals für die Holztrift erschließen. So geriet die Glasindustrie durch die steigenden Holzpreise und die Konkurrenz der aufkommenden Holzwirtschaft. Anfang des 19. Jahrhunderts in eine heftige Krise, die sie aber bald überwand. Die schwer zu beschaffende Pottasche wurde durch Soda, Glaubersalz und chemische Stoffe ersetzt. Mit dem Ausbau des Schienennetzes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts konnte hochwertiger Quarzsand aus der Lausitz, aus Holland oder Belgien eingeführt werden. Um 1880 stellten die meisten Hütten ihre Öfen auf Kohlefeuerung um. Die Eisenbahn brachte Steinkohle aus Pilsen und Braunkohle aus dem nordböhmischen Revier in das Waldgebiet. Die einst feste Bindung an die örtlichen Rohstoffe lockerte sich. Die Glashütten waren unabhängig von ihrem Standort geworden, verließen die tiefen Waldgebiete und siedelten sich an den Eisenbahnlinien an.
Durch die veränderten Standortbedingungen und die rasante technische Entwicklung der Glasherstellung fiel die ungünstige Verkehrs- und Marktlage des Bayerischen Walds und des Šumava zunehmend ins Gewicht. Während die Hohlglasproduktion (Kelchgläser, Zier-, Kunstglas) bis nach dem Zweiten Weltkrieg von jeglicher Mechanisierung verschont blieb, musste sich die automatisierte Flachglasmassenproduktion (Spiegelglas) sukzessive neue, rentable Standorte außerhalb des Waldgebirges suchen. Die letzten Flachglashütten im Bayerischen Wald stellten den Betrieb vor dem Zweiten Weltkrieges ein. Für die traditionelle Hohlglasproduktion spielten die steigenden Produktionskosten kaum eine Rolle. Das handwerkliche Geschick der Glasbläser, die Vielfalt ihrer hochwertigen Produkte und die vergleichsweise geringen Lohnkosten kompensierten die nachteilige Verkehrslage.
Im Šumava ist dagegen von sechs Jahrhunderten Glasgeschichte wenig übriggeblieben. Die Tradition von über 100 Glashütten und zahlreichen Veredelungsbetrieben hat allein in der Glashütte Eleonorenhain, der Firma Okula in Neuern und den Glasschleifereien in Adolph und Annathal überlebt. Gegenwärtig arbeiten nur noch die Betriebe in Annathal und Neuern und das im Herbst 1997 gegründete Zweigwerk der bekannten Schott-Zwiesel Glaswerke AG in Husinec bei Prachatice. Im Oberen Mühlviertel stellte die letzte Glashütte (Sonnenwald) ihren Betrieb zur Jahrhundertwende ein.
Bergbau
Neben dem Glasgewerbe entwickelte sich an einigen Orten im Bayerischen Wald der Bergbau. Mitte des 16. Jahrhunderts waren Eisenstein, Bodenmais und Lam Bergbausiedlungen. Bodenmais und Lam wurden 1522 sogar zu gefreiten Bergbaustädten erhoben. Der Eisenerzabbau bei Eisenstein erlosch bereit im 16. Jahrhundert. In Bodenmais wurde dagegen noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Schwefelkies und Silber gewonnen und Polierrot (Poliermittel für die Spiegelglasschleiferei) erzeugt. Erst 1962 wurde der Hüttenbetrieb völlig eingestellt. Der 955 Meter hohe Silberberg, in dem bis heute etwa 60 verschiedene Mineralien zu finden sind, gilt mit seinen Abraumhalden als Wahrzeichen von Bodenmais.
Auch im Šumava wurden einige kleinere Eisenwerke und Hochöfen betrieben. Charakteristisch waren Hammerwerke wie in Bergreichenstein und Außergefild. Bis in die Nachkriegszeit wurden dort Heugabeln, Pflugscharen, Hacken oder Spaten hergestellt. Zu den wichtigsten Bodenschätzen im Waldgebirge gehört Graphit (reiner kristallisierter Kohlenstoff). Bei Kropfmühl/Pfaffenreuth im südöstlichen Bayerischen Wald liegt das größte Graphitvorkommen Deutschlands. Das ist seit 1730 bekannt, doch die Erschließung mit modernen Bergbaumethoden konnte erst um 1900 beginnen. Die Graphitwerke Kropfmühl AG gehört heute zu den wichtigsten Graphitproduzenten der Welt.
In den Steinbrüchen bei Hauzenberg wird feinkörniger Granit abgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die Menschen Arbeit in den Steinbrüchen. Auch im Mühlviertel entwickelte sich aus dem bäuerlichen Nebenerwerb eine bodenständige Granitindustrie, die sich heute durch Billigimporte aus dem Ausland, wie etwa Pflastersteine aus Portugal, bedroht sieht.
Holzwirtschaft
Eine Holzindustrie im eigentlichen Sinn entstand im Bayerischen Wald und im Šumava erst im 19. Jahrhundert. Zwischen 1800 und 1850 wurde die Forstwirtschaft des Bayerischen Waldes nach der Phase des wilden Raubbaus (Glasindustrie) in geordnete Bahnen gelenkt und von den neu errichteten staatlichen Forstämtern organisiert. Zwischen 1835 und 1871 wurden um Zwiesel und Regen 57 neue Sägewerke gebaut. In Verbindung mit den großen Windwürfen und den sich anschließenden Borkenkäferplagen in den Jahren 1868 und 1870, die im Gebiet zwischen Dreisessel und Cerchov einen enormen Arbeitskräftebedarf zur Aufarbeitung des Holzes erforderte, erlebte die Holzverarbeitung einen enormen Aufschwung ("Der goldene Käfer"). Scharen von Waldarbeitern, im Volksmund "Holzhauer" genannt, konnten beschäftigt werden. Im Šumava wurden Fachschulen für Holzbearbeitung in Bergreichenstein (1878) und Wallern (1873) gegründet. In Stubenbach arbeite eine Schnitzerwerkstatt mit zugehöriger Schule. Für den Holztransport wurden im Winter Schlitten, Ochsen- und Pferdegespanne und im Sommer auch Flussläufe benutzt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten zahllose neu entstandene Holzwaren-, Möbel- und Papierfabriken die Wirtschaftsstruktur des Bayerischen Waldes. Die ältesten Papierfabriken im Šumava stammen aus dem 17. Jahrhundert (Liedlhöfen bei Bergreichenstein und Horaschdowitz). Weitere Papierfabriken entstanden bis ins 19. Jahrhundert hinein entlang der Wottawa, zwischen Bergreichenstein und Schüttenhofen (Kundratitz, Hartmanitz, Schröbersdorf, Watetitz, u.a.). Die bekannteste Fabrik befand sich in Stubenbach, wo bis zu einem Großbrand im Jahre 1933 handgeschöpftes Papier erzeugt wurde. Die älteste Papierfabrik im Bayerischen Wald wurde 1881 in Teisnach gegründet. Die Holzwirtschaft spielt als Wirtschaftsfaktor im Bayerischen Wald heute keine Rolle mehr. Der Wappenspruch der Stadt Zwiesel "Zwiesels Stolz, gut Glas und Holz" kann nur noch historische Geltung für sich beanspruchen. Im Šumava dagegen finden sich bedeutende Betriebe zur Holzverarbeitung in Wallern, Prachatitz, Bergreichenstein, Langendorf und Schüttenhofen.
Landwirtschaft
Die steinigen, nährstoffarmen Böden im Waldgebirge waren nur mühsam zu bewirtschaften. Roggen, Hafer und Kartoffeln, - letztere verbreiteten sich im Waldgebirge erst um 1830 - wurden in den abgeschiedenen Dörfern und in Höhenlagen von bis zu 1100 Metern ausschließlich zur Selbstversorgung angebaut. Wenn die Landwirtschaft im Winter zwangsläufig ruhte, gingen die Bauernfamilien Beschäftigungen in der Hausindustrie nach. Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein galt der Bauernwald als wirtschaftlicher Rückhalt für die benachteiligten Landwirtschaftsbetriebe. Zwischen fünf und sieben Hektar Wald entfielen im Durchschnitt auf einen Betrieb. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Landwirtschaft mit dem Niedergang der traditionellen Glasindustrie und des Bergbaus im Šumava zur Haupteinnahmequelle. Noch in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts betrug der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten im Bayerischen Wald rund 60% während sich der bayerische Durchschnitt um 40% bewegte.
Viehzucht
Die Viehzucht (Schlachtvieh, Zugochsen) war ein wichtiger Erwerbszweig für die bäuerliche Bevölkerung. Am Ende des 18. Jahrhunderts galt der Šumava mit seinem Vorgebirge als größter Fleischlieferant Böhmens. Im 19. Jahrhundert war der Bayerische Wald in ganz Bayern bekannt für seinen Viehumschlag. Die größten Viehmärkte befanden sich in Cham, Viechtach und Waldkirchen. Erst in der Nachkriegszeit stellten die Bauern ihre Betriebe von der Zugochsenaufzucht auf die Milchviehzucht um. Damit wurden die Waldweidegebiete in den Hochlagen, die sogenannten "Schachten", bedeutungslos.
Typisch für die Schachten sind die primitiven Hütten für die Viehhüter und vereinzelte Unterstandsbäume, unter denen sich die bis zu 300 Stück zählenden "Waldstierherden" nachts sammelten. Diese Form der Viehzucht ist heute erloschen. Viele Schachten werden jedoch regelmäßig gemäht, vor dem nachwachsenden Wald geschützt und als Landschaftsdenkmäler gepflegt. Forst- und Landwirtschaft spielen wirtschaftlich keine Rolle mehr im Waldgebirge, sind aber zur Erhaltung der charakteristischen Fremdenverkehrslandschaft wichtig. Denn Felder und Wälder prägen schon aufgrund des Flächenanteils von etwa 90 % das Bild der Kulturlandschaft.
Im Šumava und seinem Vorland sind die Auswirkungen der ab 1949 durchgeführten Kollektivierung der Landwirtschaft unübersehbar. In der Phase des Kommunismus wurden landwirtschaftliche Einheitsgenossenschaften und Staatsgüter nach dem Vorbild der sowjetischen Sowchosen geschaffen. Die im Zuge dieser "Flurbereinigung" entstandenen monotonen, großen, meist rechteckigen Schläge erwecken auch nach der Wende vielerorts den Eindruck einer Kultursteppe. Sie kontrastieren mit dem für das Mittelgebirge typischen Wechsel von ausgedehnten Waldflächen und klein parzellierten, landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Heimarbeiter im Winter und Saisonarbeit im Sommer
Neben der Landwirtschaft und der Arbeit in den herrschaftlichen Wäldern wurde als Zuerwerb und örtlich auch als Haupterwerb Hausindustrie betrieben. Die Produktpalette reichte von Schnitz- und Drechselwaren (Dachschindeln, Spanschachteln, Holzschuhe) über Korbflechtereien, Stickereien und Webereien (Flachs) bis zu Hinterglasbildern (Außergefild).Auch wenn die Landwirtschaft im Winter ruhte, betrieben die Waldbewohner Heimarbeit.
Im Sommer wanderten große Teile der Bevölkerung als Erntehelfer in die benachbarten agrarischen Gunsträume. Im Gäuboden und der Hallertau ("Hopfenzupfen") verdingten sich Saisonarbeiter aus dem nördlichen Teil des Waldgebietes. In der Steiermark und Niederösterreich waren Arbeiter aus dem südlichen Šumavagebiet anzutreffen. Solche Wanderungen waren bis in die Nachkriegszeit üblich. Sie überlebten bis heute als Berufspendlerwesen im strukturschwachen Waldgebirge.
Textilindustrie im Mühlviertel
Der älteste und bedeutendste Industriezweig im Mühlviertel ist die Textilproduktion, die auf den seit dem Mittelalter betriebenen Flachsanbau zurückgeht. Die Blütezeit der Leinenerzeugung beginnt im 16. Jahrhundert im westlichen Mühlviertel, das vom Salz- und Eisenhandel nach Böhmen weitgehend abgeschnitten war. Für den Aufschwung günstig waren die geringen Einkommensmöglichkeiten in der Landwirtschaft, der gute Absatzmarkt und das große Arbeitskräfteangebot in der Heimweberei. Die Textilverarbeitung, die ursprünglich im gesamten Mühlviertel verbreitet war, konzentrierte sich mit der Zeit auf den Raum Helfenberg-Haslach, wo 1833 und 1843 Leinwandfabriken gegründet wurden. Im Mühlviertel floriert die Textilbranche auch heute noch punktuell, so z.B. in Haslach (Textilfachschule). Das Weberhandwerk und die Textilerzeugung werden als Touristenattraktion vermarktet ("Mühlvierteler Weberstraße"), bestimmen die Beschäftigungsstruktur der Region aber schon lange nicht mehr.
Pferde auf der Schiene
Die österreichische Eisenbahngeschichte begann 1807 mit der Idee von Franz Josef von Gerstner, eine Pferdeeisenbahn zu bauen. Sein Sohn Franz Anton konnte den Bau jedoch erst 1824 in Angriff nehmen. 1827 wurde die Pferdeeisenbahn auf böhmischer Seite in Betrieb genommen, bereits 1832 verkehrte sie zwischen Budweis und Linz. Seit 1872 fuhr außerdem die Kaiser-Franz-Joseph-Bahn von Wien über Gmünd, Budweis, Strakonitz und Pilsen nach Eger. Von der Entwicklung der Pferdeeisenbahn profitierte vor allem der Salzhandel. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden täglich rund 350 Wagenladungen Salz - jährlich an die 50.400 Tonnen - aus dem Salzkammergut nach Böhmen transportiert. Seit 1836 konnte das Salz durchgehend auf der Schiene befördert werden. Neben dem Warentransport entwickelte sich ein reger Personenverkehr auf der Strecke durch Südböhmen. Eine einfache Fahrt dauerte 14 Stunden, im Scheitelbahnhof Kerschbaum konnten Reisende zu Mittag essen. Die aufsehenerregende Pferdeeisenbahn wurde allerdings bereits kurz nach ihrer Erfindung von der technischen Entwicklung der Dampflokomotive überholt. Am 15. Dezember 1872 zogen zum letzten Mal Pferde Eisenbahnwaggons über die Schienen zwischen Budweis und Linz. Heute informiert im Pferdeeisenbahnhof Kerschbaum ein Museum über die ersten Jahre der Eisenbahn in Böhmen. In dem nach historischen Originalen gebauten Luxuswagen "Hannibal II" können Besucher außerdem eine nostalgische Zeitreise ins 19. Jahrhundert unternehmen.
Dampf auf der Schiene
1893 wurde die Linie Strakonitz-Winterberg als Lokal und Zubringerbahn eingeweiht. Um die Jahrhundertwende kamen die Strecken von Winterberg und Prachatitz nach Wallern und Budweis hinzu. Jetzt war ein Teil des südlichen Šumava über die Schiene mit Innerböhmen und Oberösterreich verbunden. Erst die Strecke Wallern - Haidmühle - Passau schlug im Jahr 1910 eine Brücke nach Bayern. Mit der Eröffnung der 71 Kilometer langen Waldbahn von Plattling über Deggendorf, Gotteszell, Zwiesel nach Bayerisch Eisenstein wurde 1877 das bis dahin abgelegenen Waldgebirge erschlossen. Die Einweihung der Strecke Eisenstein -Klattau - Pilsen auf böhmischer Seite stellte im selben Jahr eine direkte Verbindung zwischen Deggendorf und Pilsen her. Erst 1890 folgte die Linie Zwiesel - Grafenau.
Touristen auf der Schiene
"Für Tausende von Deutschen ist der baierische Wald eine terra incognita, für andere Tausende ein deutsches Sibirien, eine unwegsame unwirthliche Wildniß aus Felsen, Wald und Sumpf, bewohnt von wilden Thieren und halbwilden Menschen", heißt es 1879 in der Berliner "Illustrierten Zeitung". Der Verfasser des Berichtes beschreibt das Waldland aber trotzdem als idyllisch und sehenswert, und er lobt vor allem die Waldbahn. Die Eisenbahnverbindung schuf die Voraussetzungen für die rasante Entwicklung des Fremdenverkehrs und war ein wichtiger Anstoß für die wirtschaftliche Entwicklung im Bayerischen Wald. Im Jahr 1909 startete der erste Zug mit Wintersportlern in Regensburg. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg fuhren jährlich rund 50.000 Menschen mit den Wintersportzügen in den Wald .
Familien auf der Schiene
Die Eisenbahn begünstigte die Erwerbstätigkeit der Waldbevölkerung. Im Jahr 1898 ermäßigte die Staatsbahn den Fahrpreis für Hopfenpflücker um 50%, so dass sich die Zahl der Saisonarbeiter in der Hallertau innerhalb eines Jahres auf etwa 20.000 verdoppelte. Kinder und Jugendliche konnten mit stark verbilligten Schülerkarten Bahn fahren, was den Besuch auswärtiger Schulen ermöglichte.
Rohstoffe auf der Schiene
Die Glasindustrie profitierte ebenfalls von der Eröffnung der Eisenbahnlinien: Die Glashütten siedelten sich nun in der Nähe der Schienen an und stellten den Betrieb von Holz- auf Kohlefeuerung um. Mit der Eisenbahn wurde schließlich auch der Transport riesiger Mengen Holz aus dem Waldgebirge möglich. Um das unwegsame Gelände mit den steilen Anstiegen zu erschließen, mussten große Mengen Erde bewegt und tiefe Einschnitte in den Fels vorgenommen werden. Neben zahlreichen Brücken und Tunnels im Bayerischen Wald wurde 1877 mit der Ohebrücke bei Regen die zweithöchste Eisenbahnbrücke Bayerns fertiggestellt.
Schwemmkanäle zwischen Donau und Moldau
Über die Holzflößerei, die sog. "Trift", auf der Wottawa wird bereits um das Jahr 1584 berichtet. An der Moldau begann die Flößerei südlich von Wallern. Der felsige Untergrund und das starke Gefälle machten einige Flussläufe in ihren oberen Abschnitten ungeeignet zum Flößen. Deshalb wurden Schwemmkanäle errichtet, von denen der Schwarzenbergische Schwemmkanal am bekanntesten ist.
Der "fürstlich schwarzenbergische Ingenieur" Josef Rosenauer legte 1774 den Plan vor, mittels eines Kanals Holz aus den Hochwäldern des Šumava zur Großen Mühl im Mühlviertel und von dort in die Donau zu schwemmen. Die Nachfrage nach Brennholz war groß, vor allem in der Reichshauptstadt Wien. Schwierig war jedoch die Überwindung der Hauptwasserscheide zwischen Donau und Moldau bzw. Elbe. Das System aus 27 Zuflussbächen, drei künstlichen Wasserreservoirs und dem Plöckensteinsee hielt das Wasser nur während der Schneeschmelze so in Fluss, dass die Baumstämme über die Wasserscheide geschwemmt werden konnten. Der erste Teil des Kanals (Mündung Zwettlbach-Gr. Mühl bis Hirschbergen, "Alter Kanal") wurde in den Jahren 1789 bis 1793 errichtet. Beim Bau dieses 40 Kilometer langen Stückes waren zeitweise 1200 Arbeiter beschäftigt. Der "Neue Kanal" von Hirschbergen (einschl. Tunnel) bis zum Lichtwasser (Svetla Voda) wurde erst nach dem Tod Rosenauers zwischen 1821 und 1824 erbaut und ist 12 km lang. Im Jahr 1916 wurde das letzte Mal von der Wasserscheide über die Morau-Steilstufe zur Gr. Mühl geschwemmt. Auf tschechischer Seite wurde der Betrieb erst 1961 eingestellt.
Holztrift im Bayerischen Wald
Vom Bayerischen Wald aus wurden Brennholz und Blöcher (zersägte Baumstämme von etwa drei Metern Länge) seit Beginn des 18.Jahrhunderts in die Städte Regensburg und Passau geflößt. Auf der Ilz und dem Regen erreichten die Hölzer die Donau, auf der sie nach Österreich und Ungarn geschwemmt wurden. Die Hölzer konnten nur von Frühjahr bis Herbst getriftet werden, dann allerdings in großen Mengen. 1879 wurden auf der Ilz 58.000 Ster Scheitholz und 75.000 Blöcher zur Donau gedriftet. 1907 schwammen auf dem Regen rund 190.000 Blöcher Richtung Cham, 1916 sogar über 211.000 Blöcher.
Langholz konnte in größerem Umfang erst nach 1877 mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Plattling-Bayer. Eisenstein und der Eröffnung der Unteren Waldbahn von Passau nach Freyung entlang der Ilz (1893) befördert werden. Der Holztransport per Eisenbahn war schonender, Holzabfälle konnten billiger als Brennholz verschickt und Langhölzer (Nutzholz) mussten nicht mehr wie bisher zersägt werden. Trotz der Konkurrenz von Eisenbahn und Straße konnte sich das Triften bis in die 20er Jahre (enormer Holzbedarf im Ersten Weltkrieg) halten. Der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes machte das Triften schließlich unrentabel. Heute wird Holz zum größten Teil von Lastwagen transportiert.
Sommerfrischler im 19. Jahrhundert
"Dem eigentlichen Touristenverkehre jedoch blieb der Böhmerwald bis heute ein verschlossenes unbekanntes Land", hieß es noch 1878 in einem Reiseführer. Der Fremdenverkehr in den Bayerischen Wald und den Šumava setzte erst Ende des 19. Jahrhunderts ein, als sich die Reisebedingungen durch die Eisenbahn erheblich verbessert hatten. Für erholungsbedürftige "Sommerfrischler" war die Zivilisationsferne des Waldgebirges anziehend, die beruhigende Natur und die ursprüngliche Regionalkultur mit ihrem aus Sicht der Touristen unverdorbenen Brauchtum. Der konservative, ländliche Lebensstil der "Waldler" kontrastierte mit den modernen, städtischen Lebensformen und stellte eine Art Gegenwelt zur bürgerlich rationalen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts dar.
Touristen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Um 1880 wurden zahlreiche Wald- und Verschönerungsvereine gegründet, deren Ziel die touristische Vermarktung der Landschaft war. Die Vereine sorgten dafür, dass die ersten Wanderwege markiert und Schutzhütten sowie Aussichtstürme gebaut wurden. Inserate der Vereine in Zeitungen der Großstädte Leipzig, Prag, München oder Wien signalisierten die Anfänge der Tourismuswerbung. Besonders einflussreich war der 1883 gegründete Bayerische Wald - Verein für die kulturelle Entwicklung der Grenzregion zwischen Waldmünchen und Wegscheid. Im Jahr 1896 wurde der Regensburger Fremdenverkehrsverein gegründet, 1908 der Fremdenverkehrsverband für die Oberpfalz und schließlich 1916 der Oberpfälzer Waldverein. Die Vereinsgründungen förderten genau wie der Eisenbahnbau den Wintertourismus. Bis zum Ersten Weltkrieg nahm der Fremdenverkehr im Bayerischen Wald beträchtlich zu, auch wenn er noch keine bedeutende wirtschaftliche Rolle spielte. In einer 1913 erschienenen Vereinszeitschrift des Bayerischen Waldvereines "Der Bayerwald" heißt es: "Nun sind es jährlich Tausende, die dieses an Merkwürdigkeiten aller Art so reiche Gebiet durchstreifen und das Lob unserer schönen Heimat, unseres geliebten, lange verkannten ‚Waldes' hinaustragen in alle Welt."
Polittourismus in die "Bayerische Ostmark"
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde für das Gebiet, das den Bayerischen Wald, den Oberpfälzer Wald und das Fichtelgebirge umfasste, die Bezeichnung "Bayerische Ostmark" eingeführt. Mit der Förderung der Wirtschaft, des Tourismus, der Infrastruktur und der Kultur beabsichtigten die Nationalsozialisten eine Stärkung des angeblich bedrohten Grenzgebietes und seinen Ausbau zu einem sogenannten "antitschechischen Bollwerk". Der Tourismus erhielt damit eine politische Komponente. Ein Besuch im Bayerischen Waldes war fortan nicht nur Erholung, sondern politisches Bekenntnis mit dem Ziel der materiellen und ideellen "Stützung des Deutschtums". Der Fremdenverkehr ins Grenzland nahm nach 1933 durch die "Kraft durch Freude"- Bewegung deutlich zu. In Bodenmais stieg die Übernachtungszahl zwischen 1933 und 1936 von 4.200 auf 23.000. Im Jahr 1938 wurden sogar 38.000 Übernachtungen gezählt.
Heimatvertriebene in der Nachkriegszeit
Der Tourismus in den Bayerischen Wald erholte sich nur schleppend vom Zweiten Weltkrieg. Die Hotels, Pensionen und Gasthäuser Ostbayerns waren mit Heimatvertriebenen aus Böhmen belegt. Nach der Währungsreform im Jahr 1948 und der Gründung des Fremdenverkehrsverbandes Niederbayern-Oberpfalz im Jahr 1949 verbesserte sich die Situation. Im Vergleich zur Vorkriegszeit wurde jedoch nur ein Bruchteil des Fremdenverkehrsvolumens erreicht. 1938 verzeichnete Bodenmais die Rekordzahl von über 38.000 Übernachtungen, 1950 zählte das Fremdenverkehrsamt dagegen nur noch 2700 Übernachtungen.
Massentourismus seit den 50er Jahren
Das sogenannte "Wirtschaftswunder" in der Bundesrepublik Deutschland ließ die Übernachtungsrate in den fünfziger Jahren wieder steigen. Der Massentourismus in den Bayerischen Wald setzte ein und wurde zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Bodenmais zählte 1966 bereits fast 274.000 Übernachtungen, im Jahr 1980 waren es sogar 654.000. Weiteren Aufwind erhielt der Fremdenverkehr durch den 1970 gegründeten Nationalpark Bayerischer Wald, der das Image des Tourismus ins Grenzgebirge verbessert hat.
Sozialer Tourismus in den Šumava
Der Šumava und der Lipno-Stausee waren in der kommunistischen Ära beliebte Erholungslandschaften. Die touristische Erschließung des Šumava und seine Infrastruktur - bis zum Zweiten Weltkrieg der des Bayerischen Waldes weit überlegen - waren in der Phase des Kommunismus auf "sozialen Tourismus" ausgerichtet. Bis 1989 gab es dort vor allem Betriebserholungs- und Gewerkschaftsferienheime, die auf wenige Ort konzentriert waren und nur mit Ferienschecks von den Betriebsgewerkschaftsleitungen benutzt werden konnten. Ergänzend existierten sogenannte "private Erholungsobjekte" ("vykendias"). Davon abgesehen war die touristische Nutzung des Šumava aufgrund seiner Funktion als Sperrgebiet und Raum für Militärübungen erheblich eingeschränkt. Diese jahrelang unberührten Flächen sind mittlerweile Anziehungspunkte eines "sanften Tourismus". Die Bevölkerung im Šumava strebt für die Zukunft einen umweltverträglicher Tourismus an. Damit ist ein bescheidener Ausbau der notwendigen Infrastruktur verbunden, der einer unangemessenen Verkehrserschließung und Großprojekten wie etwa dem Bau von riesigen Hotel- und Ferienanlagen eine deutliche Absage erteilt. Zusammen mit dem Nationalpark Šumava wird ein Kompromiß zwischen Ökologie und Ökonomie gesucht.
Die Premislyden: Böhmische Könige und deutsche Fürsten
Mit dem Untergang des Großmährischen Reiches unter Svatopluk um 900 und der Herrscherzeit des Geschlechts der Premislyden begann die Geschichte des böhmischen Staates. Das frühe 10. Jahrhundert ist die Zeit des Königs und Märtyrers Václav (Wenzel), der zum Landes- und Schutzpatron Böhmens erhoben wurde. Seit dem 13. Jahrhundert waren die böhmischen Könige deutsche Reichsfürsten mit einer bedeutenden politischen Stellung im römisch-deutschen Reich. Gefördert von den Premislyden (Ottokar II., 1253-1278) fassten zu dieser Zeit Deutsche Fuß in Böhmen und die Ostkolonisation begann. Der böhmische König hatte deutsche Bauern, Handwerker und Bergbauspezialisten zur Kultivierung und Rodung der Landschaft in die waldreichen Randgebiete des Landes geholt. Als Mittelpunkt von Handwerk und Handel entstand eine Reihe deutscher Städte und Märkte, Böhmen wurde zweisprachig.
Böhmische Blüte unter Karl IV. und Hussitische Revolution
Nach dem Aussterben der Premislyden im Jahr 1306 brach unter Kaiser Karl IV. (1346-1378) aus dem Hause Luxemburg eine Blütezeit Böhmens an. In Prag wurde die erste mitteleuropäische Universität (1348) gegründet. In der Kaiserstadt entstanden die Karlsbrücke und der St.-Veits-Dom. Anhänger der Reformbestrebungen von Jan Hus (1370 - 1415) revoltierten zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegen die reiche Kirche und den allmächtigen Adel. Sie wollten eine Beteiligung des Bürgertums am politischen Leben durchsetzen. Während der Hussitische Feldzüge, die auch das böhmische Grenzgebiet heimsuchten, wurden Tausende von Dörfern vernichtet.
Böhmischer Aufstand und Dreißigjähriger Krieg
Mit dem Prager Fenstersturz begann im Jahr 1618 der Böhmische Aufstand, der mit der Niederlage des ständischen Heeres in der Schlacht am Weißen Berg endete. Als Prolog zum Dreißigjährigen Krieg siegte der Absolutismus über die adeligen Stände und der Katholizismus über den Protestantismus. Mit der Niederlage am Weißen Berg verlor der böhmische Staat seine Selbständigkeit an die Habsburger. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) verlor Böhmen etwa ein Drittel seiner Bevölkerung. Das 17. Jahrhundert wird in der tschechischen Geschichtsschreibung unter nationalen, habsburg- und kirchenfeindlichen Gesichtspunkten als eine Epoche der Dunkelheit (tschech.: "temno") bezeichnet, v.a. für die bäuerlichen Grunduntertanen, die sich in einer Welle von Aufständen gegen wachsende Robotverpflichtungen erfolglos wehrten.
Böhmische Manufakturen im 18. Jahrhundert
Im 18. Jahrhundert verbesserten sich unter Maria Theresia (1740 - 1780) und ihrem reformfreudigen Sohn Joseph II. (1780 - 1790) die Lebensbedingungen in Böhmen. Beide verfolgten eine merkantilistische Wirtschaftspolitik und förderten den wirtschaftlichen Werdegang durch die Gründung von Manufakturen und die Aufhebung der Leibeigenschaft. In den waldreichen Grenzgebieten konnten Textilien, Glas und Porzellan produziert werden, und Böhmen entwickelte sich in der Habsburgermonarchie zu einem hochindustrialisierten Land.
Böhmens "Nationale Wiedergeburt" im 19. Jahrhundert
Die florierende Wirtschaft schuf im 19.Jahrhundert die Voraussetzung für die Herrschaft des Bürgertums. Bürgerliche Kreise setzen sich mit den Ideen von Goethe und Herder auseinander und rezipierten das demokratische Gedankengut der französischen Aufklärung. So bildete sich erstmals eine Art Nationalgefühl heraus. Dieser Prozess wurde als "nationale Wiedergeburt" (tschech.: "obrození") bezeichnet. Damit kam auch der ausgeprägte Antagonismus zwischen Deutschen und Tschechen zum Tragen, der sich bereits andeutete, als Josef II. Deutsch zur alleinigen Amts- und Kultursprache in den Böhmischen Ländern erheben wollte und in der tschechischen Bevölkerung auf heftigen Widerstand stieß. Bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 bildeten die Tschechen in der Donaumonarchie, die durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich in zwei Teile zerfallen war, eine Art Staat im Staate. Sie verfügten über wirksame Herrschaftsinstrumente und eine funktionierende Nationalwirtschaft. Außerdem förderten sie ein national orientiertes Kulturleben.
Böhmen nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel die österreichisch-ungarische Habsburgermonarchie, so dass 1918 die Erste Tschechoslowakische Republik mit T. G. Masaryk als Präsidenten gegründet werden konnte. Nach 300jähriger Zwangspause hatten die Tschechen die staatliche Souveränität wiedererlangt. Die Deutschen in Böhmen galten jetzt als potentielle Staatsfeinde und nicht mehr wie in den Jahrhunderten zuvor als Teil der böhmischen Nation. Die Erste Tschechische Republik war ein aus dem österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat erwachsener Nationalitätenstaat, in dem die Nationalitätenprobleme ungelöst blieben. Die Deutschen konzentrierten sich als größte Minderheit neben Magyaren, Polen, Ukrainern im sogenannten Sudetenland. An die Stelle von Wien als kulturellem und politischen Gravitationszentrum trat für die Tschechen Prag. Den Deutschen in den sudetendeutschen Randgebieten fehlte ein solcher Integrationspunkt für ihre politische und kulturelle Identität, was den Erfolg der "Sudetendeutschen Partei" (SdP) Konrad Henleins (vorher "Sudetendeutsche Heimatfront" SHF) erklärt. 1935 vereinigte sie bei den Parlamentswahlen zwei Drittel der sudetendeutschen Stimmen auf sich.
Das Protektorat Böhmen und Mähren
1938 errang die "Sudetendeutsche Partei" bei den Gemeindewahlen als stärkste deutsche Partei in der Tschechoslowakei 90% aller deutschen Stimmen. Im gleichen Jahr wurde die Zweite Tschechoslowakische Republik, die sich auf die tschechisch besiedelten Gebieten beschränkte, ausgerufen. Und das Münchner Abkommen verfügte die Angliederung der deutsch besiedelten Randgebiete an das Deutsche Reich. 1939 wurde die Slowakische Republik schließlich unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt und das Protektorat Böhmen und Mähren gegründet.
Böhmen nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tschechoslowakei unter kommunistischem Einfluss wieder hergestellt. Der endgültige Wandel vom bürgerlich-demokratischen Staat zur Volksdemokratie vollzog sich aber erst mit dem Wahlsieg der Kommunistischen Partei 1948. Unmittelbar nach Kriegsende begann die gewaltsame, seit 1946 organisierte Vertreibung (tschech.: "odsun" = "Abschiebung") von über drei Millionen Deutschen. In den Folgejahren gingen die meisten Industriebetriebe in Staatsbesitz über und die Landwirtschaft wurde kollektiviert. Nicht-kommunistische Parteien waren in den Verfassungen von 1948 und 1960 nominell verankert, nach sowjetischem Vorbild lag die Staatsmacht jedoch allein in der Hand der Kommunistischen Partei. Die Verfassung von 1960 gab der CSR den Namen einer "Sozialistischen Republik" CSSR. Der Beitritt der Tschechoslowakei zum Warschauer Pakt im Jahr 1955 beendete formal die Selbständigkeit des zuvor bereits nach dem Muster der Roten Armee organisierten Militärs.
Öffnung und Demokratisierung Böhmens
Im Prager Frühling (1968) wurden Öffnung und Reform der kommunistischen Partei (Demokratisierung) diskutiert. Nach dem gewaltsamen Ende der Freiheitsbewegung durch den Einmarsch der Roten Armee in Prag "normalisierten sich die Verhältnisse" jedoch rasch wieder unter sowjetischer Kontrolle. Die Krise des Jahres 1989 wurde von zahlreichen Strömungen vorbereitet, die gemeinsam die politische Führung untergruben (z.B. die "Charta 77" und ihre Forderungen nach Meinungsfreiheit). Die Situation eskalierte im Zusammenhang mit der sowjetischen "perestrojka", der Massenflucht aus der DDR über Ungarn und der spontanen Solidarität der tschechischen Bevölkerung beim Zusammenbruch der Kommunistischen Partei. Als Václav Havel im Dezember 1989 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, gewannen in der "Samtenen Revolution" (tschech.: "nežná revoluce") am Westen orientierte sozial-politische Strukturen die Oberhand in der Tschechoslowakei. Nationalistische Bestrebungen in der Slowakei führen schließlich im Januar 1993 zur offiziellen Trennung beider Landesteile in eine Tschechische (CR) und eine Slowakische Republik (SR).
Böhmische Sprachgrenzen
Der Šumava liegt völlig im ehemals deutsch besiedelten Gebiet. Nur wenige Randsiedlungen wiesen vor 1945 eine ethnische Durchmischung auf. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert bildete sich eine deutsch-tschechische Sprachgrenze aus, die als scharfe Trennlinie durch die Siedlungsgebiete verlief und oft einzelne Dörfer in zwei Hälften mit verschiedenen Sprachen teilte. Außerhalb der geschlossenen Siedlungsgebiete existierten deutsche Sprachinseln. Sie waren entweder durch Ansiedlung deutscher Bürger, Bergleute und Bauern im tschechischen Sprachgebiet oder durch Abtrennung vom geschlossenen deutschen Sprachgebiet entstanden. Die Stadt Budweis bildete mit den umliegenden Dörfern so eine Sprachinsel, die jedoch bereits 1910 von der tschechischen Mehrheit dominiert wurde.
1849 beantragte der tschechische Historiker und Politiker František Palacký, die einzelnen Länder Österreichs aufgrund der Volkszugehörigkeit der Bevölkerung gegeneinander abzugrenzen. Daran schlossen sich zahllose Versuche an, die Administration Österreichs entlang ihrer Sprachgrenzen neu aufzubauen. Kleine Verwaltungsgebiete mit größtmöglicher Autonomie sollten die Reibungsflächen zwischen den Nationalitäten weitgehend einschränken. Im Jahr 1918 wurde schließlich die Bildung der nach Volkszugehörigkeit einheitlichen deutsch-österreichischen Provinzen Deutschböhmen, Sudetenland und Böhmerwaldgau beschlossen. Dort bekannten sich zwischen 93% und 96% der Bevölkerung als Deutsche.
Bereits 1919 setzte der Vertrag von St.-Germain diese Provinzeinteilung außer Kraft. Die in den böhmischen Ländern beheimateten Deutschen wurden de jure tschechoslowakische Staatsbürger. Die Tschechoslowakei war genau wie zuvor Österreich-Ungarn ein Nationalitätenstaat mit ausgeprägter Differenzierung, in dem die Tschechen nicht einmal die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachten.
Tschechisierung im Sudetenland
Von 1919 an wanderten Tschechen aus dem agrarischen Binnenland in das hochindustrialisierte sudetendeutsche Gebiet ein, um die deutschen Ansiedlungen planmäßig zu unterwandern. Tschechische Staatsbedienstete wurden in die deutschen Gebiete versetzt. Außerdem entstanden tschechische Kolonien und überall wurden öffentliche und private Schulen für die tschechische Minderheit eröffnet. Diese Maßnahmen, die den Einfluss der Deutschen zurückdrängen sollten, wurden auch als "Tschechisierung" bezeichnet. Auf die Bevölkerungsstruktur im Šumava hatte sie nur geringe Auswirkungen, dennoch belastete sie das deutsch-tschechische Verhältnis.
Die Heim-ins-Reich-Bewegung
1938 wurden die Randgebiete der Tschechoslowakei 1938 an das Deutsche Reich angegliedert und in sog. Reichsgaue eingeteilt. Der nördliche Šumava kam mit den neu gebildeten Landkreisen Bergreichenstein, Markt Eisenstein und Prachatitz an Niederbayern, ein kleinerer Teil des Ceský les ging an die Oberpfalz (Landkreis Waldmünchen). Der südliche Šumava fiel mit dem Landkreis Krummau an Österreich (Oberdonau). Die neue Grenze zwischen dem Deutschen Reich und der Zweiten Tschechoslowakischen Republik war nahezu identisch mit der Sprachgrenze. Der Anschluß an das Deutsche Reich ("Heim ins Reich-Bewegung") zwang die tschechische Bevölkerung, die zum Teil während des Prozesses der Tschechisierung erst in das Randgebiet eingewandert war, zur Rückkehr in das tschechische Binnenland. Mehr als 370.000 Personen waren davon betroffen. Im Jahr 1939 lebten in den ans Reich angeschlossenen Gebieten rund 3,4 Mio. Menschen, davon waren fast drei Millionen Deutsche. Die Gebiete umfassten eine Fläche von 29.000 km² (Tschechoslowakei: 99.000 km², davon Protektorat Böhmen und Mähren: 48.900 km²). Während des Protektorates wurden keine Volkszählungen abgehalten. 1945 wurde die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1938 wiederhergestellt. 1950 lebten dort auf einer Fläche von knapp 128.000 km² über zwölf Millionen Menschen
Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg
Im Jahr 1945 wurden fast eine Million Deutsche aus der Tschechoslowakei vertrieben. Diese sogenannte "wilde Vertreibung" ging im Frühjahr 1946 in eine "geregelte Aussiedlung" über, die bereits im Herbst abgeschlossen war. Insgesamt verließen rund 2,65 Millionen Deutsche in den Jahren 1945/46 die Tschechoslowakei. Ein Teil musste aber bleiben: Deutsche Glasfacharbeiter durften das Land ebensowenig verlassen wie deutsche Forstwirte, da in beiden Bereichen Fachkräfte gesucht wurden. Bei einer Reihe von Deutschen, die aus gemischt-nationalen Ehen stammten, war außerdem die nationale Zugehörigkeit unklar. Insgesamt sollen zwischen 180.000 und 240.000 Deutsche in der Tschechoslowakei geblieben sein. Im Šumava wurde nur die Gemeinde Innergefild noch von einer nennenswerten Anzahl von Deutschen bewohnt.
Die tschechische Wiederbesiedelung der Grenzgebiete
1945 wurde in Prag das Amt für Aussiedlungsfragen geschaffen, das für die Wiederbesiedelung der Grenzgebiete zuständig war. Die Gebiete erhielten einen Sonderstatus als "pohranicí " (dt.: "an der Grenze liegendes Gebiet") und wurden in mehreren Etappen besiedelt: Zunächst kehrten die Tschechen zurück, die 1938/39 von den Deutschen ausgewiesen worden waren. Dann folgten die sogenannten "zlatokopci" (dt.: "Goldgräber"), die sich von der Ansiedlung mühelos erworbenen Besitz erhofften. Schließlich wurden bestimmte Bevölkerungsteile zwangsweise ins Grenzgebiet geschickt. Es handelte sich vor allem um polizeilich auffällig gewordene Personen, mit deren Ansiedlung die Kriminalität und Rechtsunsicherheit im Grenzgebiet überdurchschnittlich anstieg. In den Grenzgebieten entstand ein Völkergemisch aus Tschechen (Reemigranten, Wolhynientschechen), Slowaken, Bulgaren, Kroaten und Roma.
In großer Zahl siedelten sich Slowaken aus unteren Gesellschaftsschichten im Šumava an, neben den Tschechen sind sie die zweitgrößte Volksgruppe in dem Randgebiet.
Romasiedlungen
Über die Zahl der Roma, die in den 50er Jahren aus der Slowakei und Ungarn ins Grenzgebiet einwanderten, gibt die Statistik keine genaue Auskunft. Die nomadisierenden und aufgrund ihres Lebensstils und ihrer geringen Bildung diskriminierten Roma, von denen 1959 einer Schätzung zufolge rund 80% Analphabeten waren, werden heute meist verächtlich als Zigeuner bezeichnet. Anzutreffen sind sie hauptsächlich in Eger, wo ihnen in den fünfziger Jahren die historische Altstadt als Wohnsitz zugewiesen wurde. Weitere Zentren befinden sich um Krummau und Prachatitz und in Gutwasser im Šumava, wo es eine Internatsschule für Romakinder gab. Seit 1953 bekamen die Roma von den Behörden eigene Baracken, Straßenzüge und ganze Stadtviertel im Grenzgebiet zugewiesen. Die gesonderte Ansiedlung dieser Bevölkerungsgruppe war aber nicht unproblematisch und stellt die Behörden bis heute vor große Probleme. 1998 wurde in Pilsen laut über die Errichtung einer polizeilich überwachten "Siedlung für unangepasste Bürger" am Stadtrand nachgedacht. In Aussig wollten die Tschechen eine Roma-Siedlung durch eine drei Meter hohe Mauer von ihrem Wohngebiet trennen.
Verödungszonen und Sperrgebiete in den 50er-Jahren
Als die Kommunisten im Jahr 1948 die Macht übernahmen, verschlechterten sich die allgemeinen Lebensbedingungen gerade in den schwach industrialisierten sudetendeutschen Gebieten. Viele Neusiedler, die auf den bequemen Erwerb von Grundbesitz spekuliert hatten oder ein eigenes Unternehmen gründen wollten, wanderten wieder ab. Im Grenzgebiet des Šumava verzichtete man bewusst auf eine aktive Wiederbesiedelung.
Das west- und südböhmische Grenzgebiet war in den 50er-Jahren ein ausgesprochen trostloser Ort: "Halb zerfallene Häuser und unbestellte Gärten zeugen von einem gewollten Verfall (...). In Orten, in denen früher bis 1000 Menschen gewohnt haben, fristen heute 80 bis 100 Einwohner ein kümmerliches Dasein", beschreibt ein Reisebericht die Verödung der Grenzzone plastisch. Nach 1948 wurden die Siedlungen in dieser Sperr- und Verödungszone systematisch zerstört. Dort wurden seit Beginn der 50er- Jahre militärische Grenzsperranlagen ( Eiserner Vorhang) errichtet. Von den insgesamt 320 in Böhmen untergegangenen (tschech.: "zaniklá") Ortschaften befinden sich 125 in den ehemaligen politischen Bezirken Tachau, Bischofteinitz, Taus, Klattau, Schüttenhofen, Winterberg, Prachatitz und Krummau.
Die Angaben zur Zahl der wüst gefallenen und zerstörten Ortschaften im Grenzgebiet variieren sehr stark. Die zahlreichen Heimatbücher der Sudetendeutschen geben meist detailliert über einzelne Gemeinde oder bestimmte Ausschnitte des Waldgebietes Auskunft, nicht aber über die Gesamtzahl der zerstörten Orte. In einem 1965 in der Tschechoslowakei erschienenen Ortsverzeichnis wurde die Zahl der aufgelassenen Siedlungen im Grenzgebiet mit 459 angegeben. Ende der 70er-Jahre wurden etwa 650 Wüstungen geschätzt.
Verstädterung in den 60er-Jahren
Die historisch gewachsene deutsch-tschechische Sprachgrenze bestand nach der Vertreibung der Deutschen fort als Grenze zwischen der alteingesessenen, ethnisch relativ homogenen Bevölkerung und den zugezogenen, heterogenen Bevölkerungsgruppen. Im Jahre 1961 erreichte die Bevölkerung in den Grenzgebieten 68,5 % der Zahl von 1910. Die Ansiedlung in den ländlichen Gebieten (45,9 %) und den Städten (unter 5000 EW: 87,3 %, über 5000 EW: 101,5 %) unterschied sich allerdings erheblich. Das Grenzgebiet wurde von einem Prozess der Verstädterung ergriffen. Während die Bautätigkeit in den Städten - noch heute prägen Plattenbauten Winterberg oder Prachatitz - stetig zunahm, verfiel die ländliche Bausubstanz zusehends. Heute gehören Prachatice (37 EW/km²) und È. Krumlov (36 EW/km²) zu den Landkreisen mit den geringsten Bevölkerungsdichten innerhalb der gesamten Tschechischen Republik (131 EW/km²). Insgesamt muß die Siedlungspolitik der tschechischen Regierung in West- und Südböhmen heute als gescheitert gelten. Die Bevölkerung hat den Stand von vor der Vertreibung der Deutschen nicht erreicht. Der Šumava ist der am dünnsten besiedelte Raum in der Tschechischen Republik.
Das Sudetenland - Heimat der Böhmerwäldler?
Mit dem Šumava liegt spiegelbildlich zur Bayerischen Ostmark jenseits der Landesgrenze ein Teil des sogenannten Sudetenlandes. Als "Sudetenland" werden die ehemaligen Siedlungsgebiete der deutschen Bevölkerung in Böhmen und Mähren-Schlesien bezeichnet. Das Sudetenland bildete weder eine zusammenhängende Fläche noch eine Verwaltungseinheit, es handelte sich nicht um eine historisch-geographisch-kulturelle Einheit, sondern um eine "künstliche Region". Dafür spricht die räumliche Zerrissenheit des Gebietes, die unterschiedliche Zugehörigkeit seiner Bewohner zu verschiedenen volkskulturellen Gruppen, und die Tatsache, dass die Teillandschaften in unterschiedliche geographische Zonen eingebunden sind, in denen abwechselnd Industrie- oder Agrarregionen überwiegen
Der Ausdruck "Sudetenland" ist eine Neuschöpfung des in zahlreichen Funktionen - u.a. als Kulturgeograph - tätigen Franz Jesser. 1902 prägte er den Neologismus, in dem er den Namen des Gebirgszuges vom Jeschkengebirge bis zum Gesenke auf die gesamte Region übertrug. Analog zu den Ausdrücken "Donaudeutsche", "Alpendeutsche" und "Karpathendeutsche" sprach er von den "Sudetendeutschen". Der Begriff konnte sich jedoch erst nach den großen Erfolgen der Sudetendeutschen Partei gegen den konkurrierenden Begriff "Deutschböhmen" durchsetzen. Erst nach 1945 entwickelte sich unter den vertriebenen Deutschen ein ausgeprägtes "Schicksalsgemeinschaftsbewusstsein", das sich heute in den Aktivitäten der Sudetendeutschen Landsmannschaft niederschlägt. In Gesprächen mit Vertriebenen erscheinen lokale und regionale Identitäten ("Ich bin Bergreichensteiner" oder "Ich bin Böhmerwäldler") jedoch ungleich wichtiger als die Mitgliedschaft in der "Gemeinschaft der Sudetendeutschen". Dazu mag vor allem der direkte, individuelle Bezug der Vertriebenen zu ihren Heimatorten und deren Umgebung beitragen.
Die bayerisch-böhmische Grenze bis ins 19. Jahrhundert
Aus Altkarten des 17. Jahrhunderts geht hervor, dass nach Abschluss der spätmittelalterlichen Rodung und Kolonisation noch lange Zeit ein breiter Restwald zwischen Bayern und Böhmen lag. Die Menschen hatten die hohen Bereiche des Grenzgebirges aufgrund der Ungunst des Naturraums jahrhundertelang gemieden. Der Grenzwald war lediglich ein Transitraum gewesen, für den Handel auf dem Goldenen Steig etwa. Bis ins 17. Jahrhundert war die Vermarkung einer Grenzlinie nicht notwendig. Um die Grenze gegen konkurrierende Mächte zu sichern, wurden an neuralgischen Punkten wie Pässen oder das Gebirge querenden Verkehrswegen Siedlungen gebaut, die Waldhufensiedlung Leopoldsreut etwa, die im Passauer Abteiland am Goldenen Steig gelegen war. Mit der Erschließung des Restwaldes durch die Passauer Fürstbischöfe und die Herren von Krummau musste die Grenzfrage gelöst werden. Grenzstreitigkeiten zwischen den Parteien waren unvermeidlich. Nach der Vermarkung des strittigen Gebietes schmolz der Grenzsaum zu einer Grenzlinie zusammen, die im bayerisch-böhmischen Hauptgrenzvertrag von 1764 und seinen Folgeverträgen bestätigt wurde und deren Verlauf noch heute weitgehend Gültigkeit besitzt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Grenze vom Egerland bis zum Mühlviertel mit Ausnahme weniger Abschnitte gezogen.
Die bayerisch-böhmische Grenze bis 1945
Die bayerisch-böhmisch-österreichische Grenze war jahrhundertelang eine offene Zollgrenze. Sie konnte in beide Richtungen problemlos überschritten werden, was die Herausbildung grenzüberschreitender Strukturen begünstigte. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts spitzte sich der sogenannte "Volkstumskampf" für die Deutschen in Böhmen zu, Staatsgrenze und Sprachgrenze traten in Konkurrenz zueinander. Nach 1918 nahmen die Deutschen den Saum zum tschechischen Innerböhmen als Volksgrenze war, die es gegen eindringende Tschechen zu schützen galt. Das ethnische Prinzip gewann die Oberhand und entzog der Staatsgrenze die Legitimation. Das Sudetenland wurde zu einer Art Pufferzone zwischen Deutschland und Innerböhmen, seine Bewohner sahen sich weder als Reichsdeutsche noch als Tschechen an, sondern als Deutsche in Böhmen mit Recht auf Selbstbestimmung.
Seit 1933 wurde die "Bayerischen Ostmark" als "antitschechisches Bollwerk" anderen Landesteilen gegenüber bewußt politisch und wirtschaftlich bevorzugt. Die Förderung von Kultur, Wirtschaft, Tourismus und Infrastruktur - die heutige Bundesstraße B 85 von Bayreuth nach Passau ist als "Ostmarkstraße" ein Relikt aus jener Zeit - sollten das bedrohte Grenzgebiet stärken, das sich aufgrund der Weltwirtschaftskrise in einer Notsituation befand.
Während der Angliederung der deutsch besiedelten Gebiete von 1938/39 bis 1945 existierte die Staatsgrenze nicht. In der zeitgenössischen volkskundlichen Literatur, aber auch in wissenschaftlich-geographischen Schriften wird sie stark ideologisch gefärbt als unnatürliche Grenze beschrieben, die gleiche Volksgruppen trennt. Und sogar die Kelten wurden zur Legitimation der Behauptung bemüht, "dass von einer tieferen Bedeutung und Auswirkung der Staatsgrenze in völkischer und kultureller Hinsicht keine Rede sein kann".
Die bayerisch-böhmische Grenze bis 1989
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die jahrhundertelang offene bayerisch-böhmische Grenze im Bewusstsein der Bevölkerung undurchdringlich. Von 1948 an wurden sogenannte "Grenzwachtruppen" eingesetzt; die Straßen- und Bahnverbindungen wurden bis auf wenige Übergänge geschlossen und in Grenznähe wurden Sperren und Barrikaden errichtet. Wenig später senkte sich an den Grenzen zu Deutschland und Österreich der "Eiserne Vorhang", der im Jahr 1951 offiziell als "antifaschistischer Schutzwall" deklariert wurde. Im Mühlviertel wurden die Grenzen erst 1955 nach zehnjähriger sowjetrussischer Besatzungszeit geschlossen. Das Resultat war ein Sperrgebiet mit einer unmittelbar an der Grenze gelegenen "Verbotenen Zone", in der es elektrisch geladene Stacheldrahtzäune gab, Stolperdrahtanlagen und Beobachtungstürme und einer dahinter liegenden Grenzzone. Die Sozialstruktur im Grenzgebiet war von der 25.000 Mann starken Grenztruppe (tschech.: "Pohranicní Stráž (") geprägt, obwohl diese bereits in den Jahren von 1966 bis 1989 aufgrund der beginnenden Liberalisierung und Öffnung nach Westen um rund 60% verkleinert wurde. In den 60er-Jahren wurden einige Grenzübergänge zur BRD wieder geöffnet, darunter 1964 der Grenzübergang bei Furth im Wald. Nach der "Samtenen Revolution" wurden die Grenzsperranlagen zügig und gründlich abgebaut, so dass heute nur noch die in den Wald geschlagenen Schneisen von ihrer einstigen Existenz zeugen. Seit 1989 können die Bewohner des Waldgebirges und Besucher zu Fuß, im Auto oder auf der Schiene die Grenze in beide Richtungen überqueren.
Das bayerische Zonenrandgebiet
Der Bayerische Wald litt während des Kalten Kriegs unter der Grenzlage im Osten. Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Eiserne Vorhang gesenkt hatte, standen einander im Grenzwald zwei Staaten mit völlig verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen gegenüber. Aus dem bayerischen Waldgebirge, das zuvor im Zentrum Europas gelegen und mit der benachbarten Region eng verflochten war, wurde ein Gebiet am Rande der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland und am Rande Europas, das seit 1966 mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) erstmals als Staatengemeinschaft auftrat. Der Bayerische Wald musste sich von Osten nach Westen orientieren, zumal durch die Grenzziehung zur DDR die Nord-Südachse abgeschnitten worden war. Jede Form von Handel musste beträchtliche Entfernungen zu den Absatz- und Bezugsmärkten in Kauf nehmen. Die unzureichende Erschließung des Bayerischen Waldes für den Verkehr verschärfte die Situation ebenfalls. Zum Ausgleich für die erhöhten Transportkosten zahlte die Bundesregierung sog. "Frachthilfen", die sich als Instrument regionaler Wirtschaftspolitik im Zonenrand bewährten.
Als 1952 an der Zonengrenze das Sperrgebiet errichtet wurde, trat ein Jahr später als von der Bundesregierung beschlossen ein Programm zur Förderung des Zonenrandgebietes in Kraft.
Förderung des Zonenrandgebietes
Seit 1952 wurde der Zonenrand seitens der Bundesregierung systematisch gefördert. Inhalt des Förderprogrammes war die Verbesserung der wirtschaftlichen, infrastrukturellen, steuerlichen und sozialen Situation auf einem 40 km breiten Streifen an der Grenze zur DDR und CSSR.
Im Jahre 1955 wurde die finanzielle Förderung des Zonenrandes in die allgemeine Regionalförderung integriert, so dass Fördermittel von Bund und Freistaat in das Waldgebirge flossen. In den 60er- und 70er-Jahren wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen - das Gesetz zur Raumordnung (1965), das Gesetz zur "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (1969) und das Gesetz zur Förderung des Zonenrandes (1971), durch die Standortnachteile ausgeglichen, Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, die Infrastruktur verbessert und Unternehmer in den Zonenrand gelockt werden sollten.
Bei Kriegsende war das Zonenrandgebiet ein Auffangbecken für Vertriebene und Flüchtlinge. Von 1939 bis 1950 nahm die Bevölkerung im bayerischen Zonenrand um 33,8% zu. Dieses gewaltige Bevölkerungswachstum war eine große Belastung für den infrastrukturell unterentwickelten Raum. Seit den 50er-Jahren gilt die Region jedoch als Abwanderungsgebiet: Vor allem junge und dynamische Gesellschaftsgruppen wandern in größere Städte und industriell geprägte Ballungsräume ab. Sie reagieren damit auf fehlende Arbeitsplätze und mangelhafte berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Anfang der 90er-Jahre konnten die Wanderungsverluste teilweise eingedämmt werden und zeitweise überwog sogar die Zuwanderung. Trotzdem ist das Grenzgebiet im Osten Bayerns insgesamt von einer deutlichen Abnahme und Überalterung der Bevölkerung geprägt.
Das Grenzgebiet heute
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und den damit einhergehenden geopolitischen Veränderungen rückten die Grenzgebiete schlagartig in den Mittelpunkt des Interesses der internationalen Öffentlichkeit. Mit der Euregio Bayerischer Wald/Šumava (Böhmerwald)/Mühlviertel wurde bereits im Jahr 1993 die grenzüberschreitende Zusammenarbeit institutionalisiert. Innerhalb kürzester Zeit haben anschwellende Ströme von Waren, Einkäufern, Arbeitskräften und Touristen das Erscheinungsbild der Regionen zu beiden Seiten der Grenze entscheidend verändert. Vor allem auf tschechischer Seite eröffnen sich wieder Chancen im Tourismus: Restaurants und Pensionen werden renoviert oder gegründet, markierte Wanderwege und Langlaufloipen ziehen sich durch das ehemalige Sperrgebiet. Tschechische Arbeitssuchende sind im bayerischen Grenzgebiet und darüber hinaus erfolgreich. Viele ehemals trostlose, graue tschechische Dörfer und Städte erhielten ihre Farbe und ihr Leben zurück. Aber auch negative Begleiterscheinungen der Grenzöffnung bleiben nicht aus. Zunehmende Kriminalität, Rotlichtmilieu, Rauschgift und Schleuserbanden gehören gleichermaßen zum Alltag - nicht nur der Grenzbehörden - entlang der bayerisch-böhmischen Grenze. Auf den von ehemaligen Gastarbeitern aus Vietnam betriebenen ortsfesten Märkten bestimmen Stände, an denen vornehmlich Zigaretten, Spirituosen, bunte Plastikzwerge sowie vermeintliche Markentextilien feilgeboten werden, das Erscheinungsbild. Die "Marktwirtschaft" scheint dabei von einer verdeckt operierenden Mafia geregelt. An allen größeren Grenzübergängen besteht zudem das Problem des explosionsartig emporgeschnellten Verkehrsaufkommens, das nicht nur für Grenzorte wie Furth, Cham oder Bayerisch Eisenstein, sondern für die ganze Region eine große Belastung darstellt.
Bayerisch-böhmische Verflechtungen
Links und rechts der bayerisch-böhmisch-österreichischen Grenze haben sich gleichartige Siedlungsstrukturen und Lebensweisen herausgebildet. Die grenzüberschreitenden Verkehrslinien waren Kommunikations- und Transportwege für Wirtschaft und Kultur und Leitlinien zur Erschließung des Raumes. Regionale Eigenheiten prägten die bayerische, böhmische und österreichische Bevölkerung, die Wirtschaftsformen und Lebensstile diesseits und jenseits der Grenze stimmten dennoch diametral überein. Zwischen den Regionen entwickelten sich die Gemeinsamkeiten kleinräumig, d.h. in kleinmaßstäblichen Aktionsräumen, die sich auf beiden Seiten der Grenze gegenüberlagen (Subregionen). Die Durchlässigkeit der Grenze und des Naturraums sowie die soziale und ethnische Bevölkerungsstruktur waren in ihrem Zusammenspiel für die Ausbildung grenzüberschreitender Subregionen verantwortlich, wie sie der "Kulturraum Goldener Steig" darstellt.
Bayerisch-böhmischer Begegnungsraum
"Sehr lebhaft waren schon immer die Beziehungen und Wanderungen aus dem Bayerischen Walde in den Böhmerwald und umgekehrt gewesen", bemerkt der bekannte Ethnologe Josef Blau und nennt den Beruf des Glasmachers als Beispiel für einen typischen Wanderberuf in der bayerisch-böhmischen Region. Zu den Wanderungen über die bayerisch-böhmisch-österreichische Grenze sahen sich die Glasmacher meist durch Auflassungen und Verlegungen von Hütten, höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen in Bayern, Böhmen oder Oberösterreich veranlasst. Die Grenzlandschaft zwischen Bayern und Böhmen war aber nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein kultureller Begegnungsraum, in dem intensive Kontakte zwischen der bayerischen und der böhmischen Bevölkerung die Grundlage für den Austausch von Kulturgütern schufen. Neben den Dorf- und Hausformen haben sich beiderseits der Grenze sakrale Architektur- und Kunstformen parallel entwickelt. Dafür waren wandernde Bau- und Künstlergruppen verantwortlich. Wallfahrten förderten das Gemeinschaftserlebnis über Orts- und Landesgrenzen hinweg. Vor allem der Heilige Berg von Príbram besaß eine große Ausstrahlung auf böhmische und bayerische Gläubige. Umgekehrt ist belegt, dass böhmische Pilger bayerische Wallfahrtsorte besuchten. Böhmische Musikanten waren im Bayerischen Wald eine alltägliche Erscheinung. Volkslieder wurden auf tschechisch und deutsch gesungen und böhmische Tänze waren auch auf der bayerischen Seite verbreitet. Viele Menschen trieben über die Grenzen hinweg Handel oder der Schmuggel - landläufig Pascherei oder Schwirzerei genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die vielfältigen grenzüberschreitenden Verbindungen und Kontakte mit der Errichtung des Eisernen Vorhanges und der Vertreibung der Deutschen ein jähes Ende. Unzählige Schulen, Vereine, Institutionen, private Initiativen und die Euregio arbeiten an der Wiederbelebung der grenzüberschreitenden Verflechtungen im Grenzgebirge.
Bayerisch-böhmische Kulturlandschaft
Verbreitungsgebiete von Siedlungs- und Hausformen enden nicht an Grenzen zwischen Staaten oder Regierungsbezirken. Die Anlage ländlicher Siedlung orientiert sich vielmehr an den Gegebenheiten des Naturraums und den Zielsetzungen der Herrschafts- und Siedlungsträger. Der Landausbau im Waldgebiet war von Beginn an demographisch und territorialpolitisch motiviert. Aus den natürlichen Ungunstgebieten wurden durch Rodungsvorstöße gegen den Wald und durch die damit verbundene flächenhafte Ausweitung geschlossener Herrschaftsbereiche Gunsträume. Der Bevölkerungszuwachs in den frühmittelalterlichen Siedlungsräumen erforderte eine gelenkte Besiedelung, die zur Anlage von Plansiedlungen führte. Die heute sichtbaren räumlichen Strukturen und Konturen der Kulturlandschaft sind das Ergebnis des kulturraumbildenden Kolonisationsprozesses, der durch ein komplexes naturräumliches, politisches, demographisches und agrarhistorisches Faktorengefüge gekennzeichnet ist.
Dorf- und Flurformen im Grenzgebirge
Im Grenzgebirge ist eine Entwicklung des Siedlungsraums in drei Phasen (Hochmittelalter, Spätmittelalter und Neuzeit) zu beobachten. Die gürtelförmige, höhenparallele Zonierung von der Basis bis zum Gebirgskamm und ihre Wiederholung in umgekehrter Reihenfolge beim Abstieg ins Böhmische Becken sind die markantesten Kennzeichen der Besiedlung im Bayerischen Wald und im Šumava. Beim Landausbau des Mühlviertels wurden neue Räume dagegen inselartig erschlossen. Im Mühlviertel wie im Niederen Bayerischen Wald sind die früh- und hochmittelalterlich besiedelten Gebiete in Donaunähe durch Einzelhöfe und unregelmäßige Weiler mit Blockflur oder Streifenflur charakterisiert. Im Übergangsbereich von Bayerischem und Oberpfälzer Wald (Chamer Becken) findet man ebenfalls eine zonal mit der Höhe angeordnete Gliederung vor. Im Spätmittelalter wurden im Zuge der systematischen Rodung zwischen 600 und 800 Metern vor allem Angerdörfer angelegt. Die neuzeitlichen Höhensiedlungen im südöstlichen Oberpfälzer Wald (700 - 800 m) sind mit jenen des Bayerischen Waldes (bis 1100 m) aufgrund ihrer absoluten Höhenlagen schwer vergleichbar. Außerdem unterscheiden sie sich in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur: Im südöstlichen Oberpfälzer Wald dominieren bäuerliche-landwirtschaftliche Siedlungen, während im Bayerischen Wald unterbäuerlich-gewerbliche Siedlungen das Bild bestimmen.
Die grenznahen Wälder im Šumava wurden genau wie das Passauer Abteiland erst im 18. Jahrhundert besiedelt. Für die Fürsten von Schwarzenberg war die Waldnutzung. allerdings wichtiger als territoriale Siedlungsmotive, so dass die gegründeten Dörfer - z.B. Fürstenhut, Philippshütten, Mader und Althütte - eine rein gewerbliche Einkommensbasis als Holzhauersiedlungen aufwiesen und ihre formale Struktur (Reihensiedlungen und Streusiedlungen) nicht in Verbindung zur Funktion der Orte steht. Auch die Präsenz der ländlichen Unterschicht weist den Kolonisationsraum des 18. und 19. Jahrhunderts beiderseits der Landesgrenze als einheitlichen Sozialraum aus. In den altbesiedelten Gebieten des Dungau besaß diese Unterschicht Anfang des 18. Jahrhunderts nur die Hälfte der Wohnplätze.
Hausformen im Grenzgebirge
Häuser und Höfe im Waldgebirge zeugen von ähnlichen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen auf beiden Seiten der Grenze. An den Hauslandschaften lassen sich ehemalige wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen ablesen. Haus- und Hofformen, die einst die Kulturlandschaft prägten, sind heute aber nur noch im Mühlviertel mit den typischen Drei- und Vierkantern zu finden. In Ostbayern haben sich aufgrund der radikalen Abkehr von der traditionsgebundenen und landschaftstypischen Bauweise seit den 50er-Jahren fremde Baustile durchgesetzt. Im Passauer Abteiland ist die Bauweise vom oberösterreichischen Stil beeinflusst, der auch nach Südböhmen ausstrahlte. Zwischen Cham-Further-Senke und Abteiland wurde das Landschaftsbild im vergangenen Jahrhundert von Häusern in Block- und Massivbauweise mit flachgeneigten, stroh-, später schar- oder legschindelgedeckten Dächern dominiert. Dazu treten v.a. auf böhmischer und auch auf bayerischer Seite Holzhäuser in Blockbauweise mit Schopfwalmdächern. Hinsichtlich des Grundrisses handelt es sich hier bei allen Bauernhäusern um Wohnstallhäuser.
Das Waldlerhaus
Der Begriff "Waldlerhaus" hat sich in der Literatur für einen Haustyp mit Steildach (Halb- oder Krüppelwalm) im Südosten der Oberpfalz, im Bayerischen Wald und Šumava eingebürgert, auch wenn es das Waldlerhaus als allgemein verbindlichen Typus eigentlich nicht gibt. Das Waldlerhaus wird auch unter dem Namen "Böhmerwaldhaus" geführt, da es vermehrt im Grenzbereich zwischen Bayern und Böhmen auftritt. Eine besondere Form des Waldlerhauses ist das "Wallerer Holzhaus".
Ortsnamen auf -ing
Die Ortsnamen im Waldgebiet geben Hinweise auf Siedlungsgang, Alter oder frühere Funktionen der Siedlungen. Mit ihren auf "-ing" endenden Namen gehört zum Beispiel die Cham-Further-Senke zu den bayerischen Altsiedellandschaften, einige falsche "-ing-Orte", wie Kothmaisling (=Kothmaislitze) weisen jedoch auf die slavische Kolonisation im 8. Jahrhundert hin. In den Vorwaldbereichen des Bayerischen Waldes - zum Beispiel im früh besiedelten Lallinger Winkel - ist eine ganze Reihe von Orten anzutreffen, die auf "-ing" enden. Im spät erschlossenen Bereich des Grenzkamms sind sie dagegen selten zu finden.
Ortsnamen von den Herrschaften
Orte im Falkensteiner Vorwald, deren Namen auf "-zell", "-felden" und "-ried" auslaufen, wurden im 11./12. Jahrhundert von den Grafen von Bogen und ihren Ministerialen angelegt. Dass der Falkensteiner Vorwald - trotz seiner Nähe zum Altsiedelland - relativ spät erschlossen worden ist, zeigen die wenigen Ortsnamen auf "-dorf", "-bach", "-stein", "-ach" und "-au" an. Im oberen Bereich der Regensenke und im anschließenden Leopoldswald hatte im 12. Jahrhundert der Hl. Gunther zusammen mit dem Kloster Niederaltaich um die Probstei Rinchnach 20 Dörfer angelegt, deren Namen auf "-dorf" und "-berg" enden. Die zum Ende des 13. Jahrhunderts schließende Rodungsphase wird durch Ortsnamen auf "-reut(h)", "-ried" oder "-reit" ("reuten" = "roden") dokumentiert. Besonders häufig sind solche Orte im Hohen Bayerischen Wald bei Freyung-Grafenau zu finden.
Ortsnamen von der Industrie
Die ehemals das Waldgebiet prägende Glasindustrie manifestiert sich ebenso in Ortsnamen. Bezeichnungen wie "Althütte" und "Neuhütte" verweisen auf die Verlegung von Hütten, wenn der Holzvorrat in der Umgebung aufgebraucht war. In Namen wie "Jungmaierhütte" oder "Altposchingerhütte" werden die Namen der Glashüttenherren verraten. Der Ausdruck "Spiegelhütte" gibt Aufschluß über das Produkt, nämlich Spiegelglas. In "Pochermühle" befand sich ein Pocher zur Zerkleinerung des quarzhaltigen Gesteines für die Glasschmelze. Auch andere Wirtschaftszweige wie Bergbau ("Eisenstein" und "Bergreichenstein") oder die Holzverarbeitung ("Bettmannsäge" und "Ritzmaisersäg") spiegeln sich in den Namen.
Zur Kulturgeschichte des Bayerisch-böhmischen Grenzraums