Bayerisch-böhmischer Begegnungsraum
"Sehr lebhaft waren schon immer die Beziehungen und Wanderungen aus dem Bayerischen Walde in den Böhmerwald und umgekehrt gewesen", bemerkt der bekannte Ethnologe Josef Blau und nennt den Beruf des Glasmachers als Beispiel für einen typischen Wanderberuf in der bayerisch-böhmischen Region. Zu den Wanderungen über die bayerisch-böhmisch-österreichische Grenze sahen sich die Glasmacher meist durch Auflassungen und Verlegungen von Hütten, höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen in Bayern, Böhmen oder Oberösterreich veranlasst. Die Grenzlandschaft zwischen Bayern und Böhmen war aber nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein kultureller Begegnungsraum, in dem intensive Kontakte zwischen der bayerischen und der böhmischen Bevölkerung die Grundlage für den Austausch von Kulturgütern schufen. Neben den Dorf- und Hausformen haben sich beiderseits der Grenze sakrale Architektur- und Kunstformen parallel entwickelt. Dafür waren wandernde Bau- und Künstlergruppen verantwortlich. Wallfahrten förderten das Gemeinschaftserlebnis über Orts- und Landesgrenzen hinweg. Vor allem der Heilige Berg von Príbram besaß eine große Ausstrahlung auf böhmische und bayerische Gläubige. Umgekehrt ist belegt, dass böhmische Pilger bayerische Wallfahrtsorte besuchten. Böhmische Musikanten waren im Bayerischen Wald eine alltägliche Erscheinung. Volkslieder wurden auf tschechisch und deutsch gesungen und böhmische Tänze waren auch auf der bayerischen Seite verbreitet. Viele Menschen trieben über die Grenzen hinweg Handel oder der Schmuggel - landläufig Pascherei oder Schwirzerei genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden die vielfältigen grenzüberschreitenden Verbindungen und Kontakte mit der Errichtung des Eisernen Vorhanges und der Vertreibung der Deutschen ein jähes Ende. Unzählige Schulen, Vereine, Institutionen, private Initiativen und die Euregio arbeiten an der Wiederbelebung der grenzüberschreitenden Verflechtungen im Grenzgebirge.