Das Sudetenland - Heimat der Böhmerwäldler?
Mit dem Šumava liegt spiegelbildlich zur Bayerischen Ostmark jenseits der Landesgrenze ein Teil des sogenannten Sudetenlandes. Als "Sudetenland" werden die ehemaligen Siedlungsgebiete der deutschen Bevölkerung in Böhmen und Mähren-Schlesien bezeichnet. Das Sudetenland bildete weder eine zusammenhängende Fläche noch eine Verwaltungseinheit, es handelte sich nicht um eine historisch-geographisch-kulturelle Einheit, sondern um eine "künstliche Region". Dafür spricht die räumliche Zerrissenheit des Gebietes, die unterschiedliche Zugehörigkeit seiner Bewohner zu verschiedenen volkskulturellen Gruppen, und die Tatsache, dass die Teillandschaften in unterschiedliche geographische Zonen eingebunden sind, in denen abwechselnd Industrie- oder Agrarregionen überwiegen
Der Ausdruck "Sudetenland" ist eine Neuschöpfung des in zahlreichen Funktionen - u.a. als Kulturgeograph - tätigen Franz Jesser. 1902 prägte er den Neologismus, in dem er den Namen des Gebirgszuges vom Jeschkengebirge bis zum Gesenke auf die gesamte Region übertrug. Analog zu den Ausdrücken "Donaudeutsche", "Alpendeutsche" und "Karpathendeutsche" sprach er von den "Sudetendeutschen". Der Begriff konnte sich jedoch erst nach den großen Erfolgen der Sudetendeutschen Partei gegen den konkurrierenden Begriff "Deutschböhmen" durchsetzen. Erst nach 1945 entwickelte sich unter den vertriebenen Deutschen ein ausgeprägtes "Schicksalsgemeinschaftsbewusstsein", das sich heute in den Aktivitäten der Sudetendeutschen Landsmannschaft niederschlägt. In Gesprächen mit Vertriebenen erscheinen lokale und regionale Identitäten ("Ich bin Bergreichensteiner" oder "Ich bin Böhmerwäldler") jedoch ungleich wichtiger als die Mitgliedschaft in der "Gemeinschaft der Sudetendeutschen". Dazu mag vor allem der direkte, individuelle Bezug der Vertriebenen zu ihren Heimatorten und deren Umgebung beitragen.