Zwei stille Helden ihrer Zeit

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Vortrag über das beeindruckende Leben von Premysl Pitter und Olga Fierz

Bayer. Eisenstein. Naturpark Bayerischer Wald und der Verein Über d’Grenz hatten zu einem besonderen Abend zur deutsch-tschechischen Geschichte in den Grenzbahnhof eingeladen. Die Schriftstellerin Sabine Dittrich aus Hof zeichnete unter dem Motto „Liebet Eure Feinde“ ein lebendiges Bild von Přemysl Pitter und Olga Fierz, die das Leben von deutschen und tschechischen Kindern gerettet haben.

Pitter wuchs in einem katholischen Elternhaus in Tschechien auf, hatte eine Phase, in der er Atheist war, und litt darunter, als junger Soldat im Ersten Weltkrieg kämpfen zu müssen. Zwei Desertionsversuche schlugen fehl, einmal wäre er fast zum Tode verurteilt worden. Diese Erfahrungen machten ihn zum lebenslangen, überzeugten Pazifisten.

Er studierte Theologie, schloss sich aber nie einer Kirche an, sondern blieb Prediger einer freien Gemeinschaft. Als kompromissloser Wehrdienstverweigerer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, wurde er erst nach einem Protest von Albert Einstein durch Präsident Masaryk begnadigt. Der Anblick magerer, elend aussehender Kinder aus dem Prager Armutsviertel Žižkov, die für ihre Familien Kohlen stahlen, beeindruckte ihn tief und er machte es sich zur Lebensaufgabe, in diesem Viertel als „Streetworker“ materielle Hilfen zu organisieren, für den Schulbesuch der Kindern zu sorgen und Freizeitangebote zu schaffen – alles im Geist der Nächstenliebe.

Ebenso war er mit der europäischen Friedensbewegung jener Jahre gut vernetzt. Dabei lernte er die gleichgesinnte Schweizerin Olga Fierz kennen, die ihn bei seiner Arbeit unterstützte und seine Lebenspartnerin wurde. 1933 hatten er und sein Team so viele Spenden sammeln können, dass sie in Žižkov ein Stadtteilhaus mit Räumen für Treffen und Freizeitgestaltung bauen konnten.

Historische Fotos zeigten Kinder beim Spielen und in der Werkstatt. Vergnügte Bilder wurden auch im ländlichen Myto bei Rokidzan aufgenommen, wo Pitter ein Ferienhaus baute. Man kann sich vorstellen, was es für Kinder aus elenden Wohnverhältnissen bedeutete, dort im Freien spielen und herumzutoben zu können – und gut verpflegt zu werden.

Für Pitter, Fierz und ihr Team war es selbstverständlich, auch Kinder verfolgter jüdischer Familien aus dem 1938 besetzten Sudetenland aufzunehmen, sie zur Schule zu schicken und zu unterstützen. Bei einem Gestapo-Verhör wurde Pitter nach dieser verbotenen Tätigkeit gefragt. Er gab zu, dass er das getan habe: „Aber aus menschlichen Gründen werden Sie es verstehen“. Es war großes Glück, dass er nicht verhaftet wurde.

Da sich die jüdischen Eltern von ihren Kindern nicht trennen wollten, nahmen sie sie mit ins Konzentrationslager. Von etwa 100 Kindern überlebten nur fünf. Im Mai 1945 besuchte Pitter als Mitglied einer Regierungskommision das KZ-Theresienstadt und nahm halb verhungerte Kinder auf. Sie wurden gut versorgt und mit viel Zuwendung und Geduld wieder in ein geborgenes Leben zurückgeführt. Viele von ihnen, mittlerweile alte Leute, kamen im Film als Zeitzeugen zu Wort.

Gegen den Protest seiner Landsleute, die die Grausamkeit der deutschen Besatzungszeit nicht vergessen hatten, nahm er aber auch Kinder deutscher Familien aus Internierungslagern auf und rettete ihnen das Leben. Zusammen mit Fierz half er vielen, über Suchlisten des Roten Kreuzes ihre Eltern wieder zu finden, andere kamen in Pflegefamilien unter. Nach der Machtübernahme der Kommunisten gerieten Pitter und Fierz zunehmend unter Druck, flohen 1951 in die Bundesrepublik und lebten später in der Schweiz.

Für zehn Jahre kümmerte sich Pitter noch in Nürnberg um Flüchtlinge aus dem Kommunistischen Osten und bekam 1961 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Erwachsene jüdischen Glaubens, die er als Kind gerettet hatte, setzten es durch, dass in der Gedenkstätte Yad Vashem ein Baum für ihn gepflanzt wurde.

Sabine Dittrich hatte zu diesem Thema auch einen Roman geschrieben. Sie las auch aus Briefen und Texten Pitters vor. leider erlebte er die Samtene Revolutionnicht mehr, Olga Fierz hingegen schon noch. Mit Gitarre und Gesang sorgte Veronika Schagemann für eine passende Stimmung, indem sie einige jüdische Lieder vor trug.löf 

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